Shoaportal Archiv – Auschwitz – Die „Vergaserfritzen“ –

Karl Hölblingernetz

Der Wiener ehemalige Bundesheersoldat Karl Hölblinger, kam während des Krieges als SS Mann nach Auschwitz in die sogenannte Fahrbereitschaft. Im Frankfurter Auschwitz Prozess wurde er als Zeuge geladen. Wie viele seiner geladenen Kollegen von der SS berichtete er, zuerst etwas unwillig doch schlussendlich ganz offen von seinen  Erlebnissen.  Hölblinger zeigt uns über den internen Umgang auf unterster SS Ebene mit der Situation der Ermordung unzähliger Menschen umgegangen wurde, zb mit dem Hinweis, dass man das Desinfektorenkommando, welches zur Tötung der Menschen herangezogen wurde, „Vergaserfritzen“ nannte.

Zeuge Karl Hölblinger:
Karl.

Vorsitzender Richter:
Karl Hölblinger, wie alt sind Sie?

Zeuge Karl Hölblinger:
54.

Vorsitzender Richter:
54 Jahre alt. Sie sind geschieden oder wieder verheiratet?

Zeuge Karl Hölblinger:
Verheiratet.

Vorsitzender Richter:
Verheiratet. Sie wohnen in Wien?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, 23.

Vorsitzender Richter:
Und Sie sind von Beruf Kraftfahrer?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Sie sind nicht verwandt und nicht verschwägert mit einem der Angeklagten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich weiß nicht, wer angeklagt ist.

Vorsitzender Richter:
Dann will ich es Ihnen vorlesen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Aber ich glaube auf keinen Fall, [+ daß ich] da Verwandte habe.

Vorsitzender Richter:
Es sind folgende Personen angeklagt: Mulka, Höcker, Boger, Stark, Dylewski, Broad, Schoberth, Schlage, Hofmann, Kaduk, Baretzki, Breitwieser, Doktor Lucas, Doktor Frank, Doktor Schatz, Doktor Capesius, Klehr, Scherpe, Hantl, Neubert und Bednarek. Sind Sie mit einem dieser Angeklagten verwandt oder verschwägert?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, mit keinem.

Vorsitzender Richter:
Nein. Herr Hölblinger, ich mache Sie vorsorglich darauf aufmerksam, daß Sie das Recht haben, die Aussage zu verweigern, wenn ich Sie nach Dingen frage und Sie durch Beantwortung und eine wahrheitsgemäße Beantwortung dieser Fragen sich selbst einer strafbaren Handlung bezichtigen müßten. Ist Ihnen das klargeworden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Also Sie müssen sich nicht selbst belasten, können in solchen Fällen mir sagen: »Ich will diese Frage nicht beantworten«, aber Sie dürfen sie nicht falsch beantworten oder zu unrecht sagen: »Ich weiß es nicht«, wenn Sie es doch wüßten, ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Herr Hölblinger, Sie sind Mitglied der NSDAP gewesen. Wann und wie kamen Sie zur SS?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, ich war beim Bundesheer. […] Und von dort aus kam ich dann zur Wehrmacht, und von der Wehrmacht zur Umschulung. Und nach der Wehrmacht kam ich zur SS.

Vorsitzender Richter:
Zur Waffen-SS oder Allgemeinen SS?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, Waffen-SS.

Vorsitzender Richter:
Waffen-SS. Was haben Sie dort für einen Dienstgrad gehabt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Bis zum Schluß, bis zur Degradierung: Rottenführer.

Vorsitzender Richter:
Rottenführer. Und warum und wann sind Sie degradiert worden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich glaube, das liegt ja schon offen, Herr Richter, in den 40er Jahren bin ich degradiert worden.

Vorsitzender Richter:
Zum SS-Mann oder was?

Zeuge Karl Hölblinger:
Zum SS-Mann, ja.

Vorsitzender Richter:
Ja. Und warum?

Zeuge Karl Hölblinger:
Wegen »Organisationen«.

Vorsitzender Richter:
Also weil Sie dort sich was zugeeignet hatten, was Ihnen nicht zukam?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Wann sind Sie in Auschwitz gewesen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Wann? Von 40 – Moment bitte [Pause] das weiß man nicht mehr so, es ist ja schon wieder eine Zeit vergangen –, nein, ich habe es nicht bei mir, leider, nein. Bis 40 war ich halt in Auschwitz, es war ungefähr zwei Jahre lang.

Vorsitzender Richter:
Bis wann waren Sie?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, 40 bin ich eingerückt, und 43 bin ich von Auschwitz weg.

Vorsitzender Richter:
Sie haben mal bei Ihrer Vernehmung vor dem Landesgericht in Wien im Jahre 1962 gesagt: »Es wurden Traktorfahrer für die Landwirtschaft gesucht.«1

Zeuge Karl Hölblinger:
Da habe ich mich gemeldet, ja.

Vorsitzender Richter:
»Und aufgrund meiner Meldung kam ich noch vor Weihnachten 1942 nach Auschwitz.«2

Zeuge Karl Hölblinger:
Dann wird es so gewesen sein.

Vorsitzender Richter:
Ja. Und waren Sie dort bei den Traktoren, und haben Sie dort Traktor gefahren oder nicht?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Lang? Oder wie?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich habe Traktor gefahren, dann bin ich zur Kompanie gekommen, von der Kompanie bin ich zur Fahrbereitschaft wieder gekommen.

Vorsitzender Richter:
Sie haben zunächst Traktor gefahren, dann sind Sie zur Kompanie, nämlich zur Wachkompanie, gekommen, und von dort kamen Sie zur Fahrbereitschaft.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und wie lange waren Sie bei der Fahrbereitschaft etwa?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ungefähr ein Jahr.

Vorsitzender Richter:
Ungefähr ein Jahr. Und kamen von der Fahrbereitschaft dann weg, das hing wohl mit Ihrer Degradierung zusammen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
In eine Strafkompanie in der Nähe von?

Zeuge Karl Hölblinger:
Danzig, Matzkau, ja. […]

Vorsitzender Richter:
In der Nähe von Danzig. Ja. Nun, wer war denn damals Lagerkommandant, wie Sie dort

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Höß.

Vorsitzender Richter:
Höß. Und wie hieß denn sein Adjutant?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, keine Ahnung, wie der geheißen hat. Kann ich mich nicht mehr erinnern heute.

Vorsitzender Richter:
Können sich nicht mehr erinnern. War der Adjutant auch Leiter der Fahrbereitschaft?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Vorsitzender Richter:
Wer war denn Leiter der Fahrbereitschaft?

Zeuge Karl Hölblinger:
Hauptscharführer Wiegand.

Vorsitzender Richter:
Wiegand. Und wie der Adjutant hieß, wissen Sie nicht?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Vorsitzender Richter:
Wie hieß denn Ihr Kompaniechef?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, da kann ich mich auch nicht mehr erinnern.

Vorsitzender Richter:
Wissen Sie nicht mehr. Nun, was haben Sie denn nun für Wagen gefahren bei dieser Fahrbereitschaft?

Zeuge Karl Hölblinger:
Hauptsächlich Sanka.

Vorsitzender Richter:
Hauptsächlich Sanka. Und was wurde denn mit den Sankas gefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nur Häftlinge.

Vorsitzender Richter:
Nur Häftlinge? Also die Sanitätskraftwagen sind doch meistens so eingerichtet, daß sie für Liegende, für Bahren eingerichtet sind, nicht?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nur sitzend.

Vorsitzender Richter:
Nur sitzend. Nur Sitzende. Und wo haben Sie die Häftlinge denn herumgefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, ich habe sie entweder ins Laboratorium geführt, wo sie behandelt wurden, […] ins Ding, in die…

Vorsitzender Richter:
Häftlingskrankenbau?

Zeuge Karl Hölblinger:
In den Krankenbau, in den Stammbau. Da habe ich sie jeden Tag in der Früh holen müssen und habe sie reinführen müssen und habe warten müssen, bis sie fertig waren mit der Behandlung.

Vorsitzender Richter:
Von wo aus mußten Sie sie denn holen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Von Birkenau.

Vorsitzender Richter:
Von Birkenau?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und zwar aus den einzelnen Unterkünften heraus?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, oder was mit Ohren oder Nasen oder mit Augen zu tun hatte oder die geröntgt werden mußten, die sind reingeführt worden und sind dort behandelt worden.

Vorsitzender Richter:
Ja. Und dann, nach der Behandlung, haben Sie wieder

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Habe ich sie wieder herausgeführt.

Vorsitzender Richter:
Haben Sie sie wieder rausgeführt. Hatten Sie auch Nachtdienst dort?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, freilich.

Vorsitzender Richter:
Und was mußten Sie denn in dem Nachtdienst für Fahrten machen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, hauptsächlich, wenn Fahrten waren, dann vielleicht Transportfahrten.

Vorsitzender Richter:
Transportfahrten. Und was verstehen Sie unter Transportfahrten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Wenn ein Transport angekommen ist, da haben wir vielleicht…

Vorsitzender Richter:
Wenn ein Transport angekommen ist

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Häftlingstransport oder Judentransport.

Vorsitzender Richter:
Aha. Wo kamen diese Transporte denn an?

Zeuge Karl Hölblinger:
An der Rampe.

Vorsitzender Richter:
Und wo war die Rampe?

Zeuge Karl Hölblinger:
Birkenau.

Vorsitzender Richter:
In Birkenau. Nun erzählen Sie doch mal, wo haben Sie denn Ihre Unterkunft gehabt, wo haben Sie geschlafen in Auschwitz?

Zeuge Karl Hölblinger:
Kommandanturbaracke.

Vorsitzender Richter:
Im Kommandanturgebäude?

Zeuge Karl Hölblinger:
Kommandanturbaracke, -unterkunft, also das war neben dem SS-Revier.

Vorsitzender Richter:
Neben dem SS-Revier. Und wer hat Sie denn benachrichtigt davon, daß ein Transport ankam?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, der jeweilige Sankafahrer hat ja immer Nachtdienst gehabt, und der hat müssen mit dem Transport fahren, der Nachtdienst gehabt hat.

Vorsitzender Richter:
Ja, nun kam doch nicht jeden Tag ein Transport an.

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Vorsitzender Richter:
Und wer hat Sie denn nun davon in Kenntnis gesetzt, daß in dieser Nacht ein Transport angekommen sei oder ankommen werde?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, mittels einer Sirene ist das bekanntgegeben worden. […]

Vorsitzender Richter:
Aha. Also Sie wußten, wenn die Sirene ertönt, dann mußten Sie was machen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Den Wagen vor die Fahrbereitschaft fahren und auf die Sanitäter und den Arzt warten.

Vorsitzender Richter:
Sie mußten mit Ihrem Sanka an die Fahrbereitschaft fahren und dort warten auf die Sanitäter, also die Sanitätsdienstgrade, und den Arzt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und was machten Sie dann mit diesen Leuten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Da fuhr ich hinaus zum Transport.

Vorsitzender Richter:
An die Rampe?

Zeuge Karl Hölblinger:
An die Rampe.

Vorsitzender Richter:
Und was geschah dann?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, von dort sind wir dann eben weitergefahren bis zu den Entkleidungs- und Vergasungsräumen.

Vorsitzender Richter:
Bis an die Gaskammern.

Zeuge Karl Hölblinger:
Bis an die Gaskammern.

Vorsitzender Richter:
Und was machten dann die SS-Dienstgrade, und was machte der Arzt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, der Arzt, der ist dann dort bei mir entweder drinnen im Wagen sitzengeblieben oder eben neben dem Wagen gestanden. Mehr hat der nicht gemacht und ist bei mir eben gewesen. Und die Sanitäter sind heraus und haben die Sachen halt gemacht, was Sie dort verrichten müssen.

Vorsitzender Richter:
Ja. Was für Sachen mußten sie verrichten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, die Vergasung mußten sie vornehmen.

Vorsitzender Richter:
Und wie haben sie das getan?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das weiß ich nicht genau.

Vorsitzender Richter:
Haben Sie nichts gesehen, daß die vielleicht auf ein Dach gestiegen sind und dort Büchsen geöffnet haben und die Büchsen da hineingekippt haben in diese

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Na, da sind sie ja nicht aufs Dach gestiegen.

Vorsitzender Richter:
Nicht aufs Dach?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, woher denn?

Vorsitzender Richter:
Ja, wo waren denn diese

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Das war nur eine Luke. Da sind sie eben raufgestiegen mit der Gasmaske.

Vorsitzender Richter:
Eine Luke, da sind sie raufgestiegen. Wie hoch war denn diese Luke ungefähr?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, wollen wir mal sagen, zweieinhalb Meter, drei Meter

Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Zweieinhalb Meter. Ging da eine Leiter hinauf?

Zeuge Karl Hölblinger:
Eine Leiter ging rauf, ja.

Vorsitzender Richter:
Eine Leiter ging rauf, ja. Da sind sie raufgestiegen. Und was haben sie dann oben gemacht?

Zeuge Karl Hölblinger:
Da haben sie die Büchsen eben entleert.

Vorsitzender Richter:
Haben sie die Büchsen entleert. Hatten sie da Gasmasken auf dazu?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und der Arzt war solange bei Ihnen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Bei mir.

Vorsitzender Richter:
Nun, wenn Sie da hinkamen, an die Gaskammern, waren denn da alle Menschen schon in die Gaskammern hineingepfercht worden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, da sind sie noch, sagen wir, beim Entkleiden gewesen und sind dann erst reingegangen in die Gaskammern.

Vorsitzender Richter:
Konnten Sie das von außen sehen, wenn die da bei der Entkleidung waren, oder war Ihnen das verdeckt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, ich konnte es sehen.

Vorsitzender Richter:
Sie konnten es sehen. Nun, ging das Hineinführen in die Gaskammern also ruhig und friedlich ab, oder gab es da auch mitunter Revolten und Spektakel?

Zeuge Karl Hölblinger:
Soweit ich dabeigewesen bin, ist es alles ganz friedlich gewesen. Ganz ahnungslos.

Vorsitzender Richter:
Und was wurde denn den Leuten gesagt, die da in die Gaskammern reingingen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das weiß ich nicht, ich bin mit denen ja nicht in Berührung gekommen.

Vorsitzender Richter:
Nein. Und wer hat die Leute denn hineingebracht in die Gaskammern? [Pause] Waren das Häftlinge, oder waren das SS-Leute, oder wer war das?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, nein, SS-Leute. Es ist ein Wachkommando mitgegangen, bewacht von einer kleinen Postenkette, und das war alles. Und, sagen wir, vielleicht ein Beauftragter, der den Transport eben geleitet hat und das vielleicht veranlaßt hat mit diesen Leuten.

Vorsitzender Richter:
Und wenn die SS-Leute nun die Büchsen da reingeschüttet hatten, sind Sie dann gleich wieder weggefahren, oder haben Sie erst noch gewartet, bis vielleicht die Menschen dort drinnen tot waren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das ist ja meiner Anschauung nach sehr rasch gegangen, und derweil sie sich da das Zeug wieder zusammengeklaubt haben […] zum Wegfahren, sind sie mit mir eben wieder weggefahren.

Vorsitzender Richter:
Sind mit Ihnen wieder weggefahren. Und wie lange hat das Ganze ungefähr gedauert?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich nehme an, vielleicht [Pause] bis zu einer Minute.

Vorsitzender Richter:
Bis zu einer Minute? Na, das scheint mir doch ein bißchen sehr knapp bemessen zu sein.

Zeuge Karl Hölblinger:
Bitte, ich habe keine Ahnung, ich denke, daß es so war, weil man nichts mehr gehört hat, kurze Zeit, das waren…

Vorsitzender Richter:
Ach so, nachdem das Gas eingeschüttet war bis zu dem Moment, wo alles still war?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
War denn vorher sehr viel Lärm und Geschrei?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na ja, es war vorher nicht. Aber in dem Moment, wo man vielleicht das Gas hineingeschüttet hat, wo man gesehen hat, es handelt sich da um was anderes, daß man vielleicht einen Entsetzensschrei gemacht hat. Und dann war es aus, aber mehr nicht mehr.

Vorsitzender Richter:
Sie sagten eben: »Wenn man gemerkt hat, es handelte sich um etwas anderes«. Warum, was

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ich nehme es an.

Vorsitzender Richter:
Nehmen Sie an. Ja, um was anderes hätte es sich denn gehandelt, wenn die Leute nicht vergast worden wären?

Zeuge Karl Hölblinger:
Es ist so gewesen, daß an die Türen geschrieben war: »Desinfektion«.

Vorsitzender Richter:
Das war angeschrieben?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das war angeschrieben, so daß die Leute, diereingingen, da drauf lesen: »Desinfektion«. Also da haben sie auch angenommen, sie kommen dann in den nächsten Raum rein, was ja nicht mehr gewesen ist und…

Vorsitzender Richter:
Hat man den Leuten gesagt, daß sie gebadet würden oder geduscht würden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich war mit diesen Leuten ja nicht zusammen, die den Transport [+ begleitet haben]. Ich war ganz separat mit den Sanitätern und mit dem Arzt.

Vorsitzender Richter:
Ja. Nun sagen Sie bitte, dieses Gas, was die Sanitäter da reingeschüttet haben, wo kam denn das her?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das haben die Sanitäter mitgebracht irgendwie, zur Fahrbereitschaft.

Vorsitzender Richter:
Mitgebracht zur Fahrbereitschaft.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Wissen Sie, wo das aufbewahrt war?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht. Und wie sahen denn die Behälter aus, in denen das Gas da transportiert worden ist.

Zeuge Karl Hölblinger:
Na ja, wie soll ich sagen – annähernd Blechbehälter.

Vorsitzender Richter:
Ja, können Sie mal zeigen, wie hoch?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich glaube, so groß.

Vorsitzender Richter:
So groß, so ungefähr.

Zeuge Karl Hölblinger:
Können vielleicht niederer auch noch gewesen sein.

Vorsitzender Richter:
Also größer, als heutzutage die normalen Konservenbüchsen sind. Sie kennen doch die normalen Konserven? […]

Zeuge Karl Hölblinger:
Eine Konservenbüchse ist ja nicht so klein.

Vorsitzender Richter:
So groß, ja. Sie waren also etwa doppelt so groß.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich glaube, sie waren so groß, ungefähr doppelt so groß.

Vorsitzender Richter:
Aber sonst in dem Umfang und in dem…

Zeuge Karl Hölblinger:
War es so wie eine Konservenbüchse.

Vorsitzender Richter:
So ungefähr wie eine Konservenbüchse. Und stand da etwas drauf? Haben Sie so genau nicht gesehen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich habe mich gar nicht interessiert. Und so nahe wäre ich auch vielleicht nicht rangekommen, weil sie hätten mich ja vielleicht gar nicht rangelassen, weil es, glaube ich, sehr gefährlich ist.

Vorsitzender Richter:
Waren es Weißblechbüchsen, oder waren sie angestrichen, oder hatten sie eine Farbe oder? Das wissen Sie nicht mehr?

Zeuge Karl Hölblinger:
Weiß ich nicht mehr.

Vorsitzender Richter:
Ja, dieses Zyklon – oder also diese Büchsen, will ich sagen – brachten die Sanitäter mit. Nun sagen Sie bitte, kennen Sie noch Sanitäter, die damals mitgefahren sind?

Zeuge Karl Hölblinger:
Möglich.

Vorsitzender Richter:
Ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Soweit sie sich nicht sehr stark verändert haben.

Vorsitzender Richter:
Ja? Nun, kennen Sie die Namen dieser Leute noch?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, einen Namen besonders.

Vorsitzender Richter:
Nämlich?

Zeuge Karl Hölblinger:
Den Herrn Klehr.

Vorsitzender Richter:
Den Herrn Klehr. Ist der mit dem Auto mit Ihnen rausgefahren zu dem Krematorium oder zu dem

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Der ist nur einmal mit mir gefahren. Mit einem Gefängniswagen sind wir da beisammengewesen, wie die Russen geflüchtet sind. Das war das einzige Mal, daß der Herr Klehr überhaupt mit mir gefahren ist.

Vorsitzender Richter:
Ja? Sie sind ein einziges Mal gefahren, zusammen mit dem Herrn Klehr, und zwar in einem Sanka?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, mit einem Gefängniswagen. Also mit der Minna, so hat das bei uns geheißen.

Vorsitzender Richter:
Mit der Minna.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, bin ich gefahren, weil die Russen haben einen Ausbruch gemacht, und da haben wir sie mit den Wagen wieder zusammengeholt. Und da ist der Herr Klehr mit mir gefahren.

Vorsitzender Richter:
Wissen Sie noch ungefähr, wann das war?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das weiß ich nimmer mehr. Es ist ja nur ein Russenausbruch gewesen in Auschwitz.

Vorsitzender Richter:
Also Sie waren ja dort – wie Sie heute als möglich wieder hingestellt haben – von 42, Weihnachten 42, etwa ein Jahr. Das heißt also praktisch im Jahr 43. Und da war ein Russenausbruch, und die hat man zusammengefangen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Soviel man halt gefunden hat. Wir haben ja, mir scheint, nur zwei oder drei Stück gefunden, die haben wir wieder nach Hause gebracht. […]

Vorsitzender Richter:
Ach so, die haben Sie in diesem Gefängniswagen mit nach Hause

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Mit nach Hause geführt wieder, ja.

Vorsitzender Richter:
Aha. Und da war der Klehr dabei.

Zeuge Karl Hölblinger:
Da ist der Herr Klehr mit mir gefahren.

Vorsitzender Richter:
Der hat also die Leute mit eingefangen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, wir haben sie abgeholt von denen, die sie eingefangen haben, von der Postenkette.

Vorsitzender Richter:
Von der Postenkette. Und wo haben Sie die hingefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nun, wieder ins Lager zurück.

Vorsitzender Richter:
Ins Lager, und wohin ins Lager?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, wo haben wir denn die hingeführt? Ich glaube, wieder nach Birkenau raus. Dort ist ja die Russenunterkunft gewesen, in Birkenau.

Vorsitzender Richter:
Ja. Und wurden die dort in der Baracke abgeliefert, wo sie herkamen, oder sind die woanders hingefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, die werden übergeben dem Lager, dem Blockführer, und das ist für uns dann schon erledigt gewesen.

Vorsitzender Richter:
Dem Blockführer, und dann war es für Sie erledigt.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und warum ist der Klehr da mitgefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Keine Ahnung, wahrscheinlich, weil er Sanitäter war. Oder er hat Nachtdienst gehabt grad.

Vorsitzender Richter:
Ja, nun ist es im allgemeinen doch nicht Aufgabe der Sanitäter, Gefangene zu transportieren. Ich meine, da waren doch andere Leute dazu da.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, ich weiß selber nicht, wie das gekommen ist, aber jedenfalls ist er mit mir gefahren. Ich kann das nicht anders…

Vorsitzender Richter:
Aber bei dieser Gelegenheit ist niemand vergast worden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein. […]

Vorsitzender Richter:
Und nun habe ich Sie vorhin gefragt: »Kennen Sie noch Sanitätsdienstgrade, die mit Ihnen zur Vergasung gefahren sind?« Und da haben Sie gesagt: »Ja, einen Namen weiß ich ganz besonders, das ist der Klehr.« Und nun habe ich Sie näher gefragt danach, und da schildern Sie mir diese Fahrt mit diesen wiedereingefangenen Russen. Ist er denn mit Ihnen nie zum Krematorium hingefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Vorsitzender Richter:
Der Klehr?

Zeuge Karl Hölblinger:
Kann ich mich nicht erinnern. Da sind nur die zwei, die mit der Vergasung zu tun gehabt haben – ich weiß nicht, ob die überhaupt Dienstgrade gehabt haben, ich glaube, das waren…

Vorsitzender Richter:
Ja, wie hießen sie denn?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das weiß ich nicht.

Vorsitzender Richter:
Und da ist auch der Klehr mit Ihnen nicht zur Rampe gefahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Vorsitzender Richter:
Wissen Sie noch andere Namen von SS-Dienstgraden, die da mit Ihnen gefahren sind im Sanka?

Zeuge Karl Hölblinger:
Also, weiß ich überhaupt keinen. Ich habe sie auch so nicht gesehen, daß ich mich mehr befaßt hätte mit ihnen. Die waren auch nicht bei uns in der Unterkunft.

Vorsitzender Richter:
Das habe ich jetzt nicht ganz begriffen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich habe sie auch so nicht gesehen, daß ich mich mehr befaßt hätte mit ihnen, kameradschaftlich, so wie mit den anderen von der Fahrbereitschaft. Sagen wir, daß man sogar beim Schlafen beisammen war.

Vorsitzender Richter:
Ja. Also Sie sagen, die haben Sie nicht näher gekannt, und Sie können sich heute auf keine Namen mehr erinnern.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich habe sie auch damals nicht einmal gekannt namentlich.

Vorsitzender Richter:
Einen Namen haben Sie aber genannt, und zwar haben Sie einen SDG Nierzwicki einmal genannt. […]

Zeuge Karl Hölblinger:
Nierzwicki? Ja, den kenne ich auch, der war draußen in einem Lager, in einem Außenlager. Nierzwicki.

Vorsitzender Richter:
Kennen Sie den SDG Neubert?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, da kann ich mich nicht mehr erinnern.

Vorsitzender Richter:
Hantl? […]

Zeuge Karl Hölblinger:
Auch nicht.

Vorsitzender Richter:
Hantl und Theuer, Koch?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein. Nie gehört davon.

Vorsitzender Richter:
Und wie hieß denn der andere? […] Koch, ja, Theuer und Koch. Nein, auch nicht?

Zeuge Karl Hölblinger:
Noch nie gehört. Vielleicht nach mir erst hingekommen.

Vorsitzender Richter:
Ja. Und wie ist es mit Neubert?

Zeuge Karl Hölblinger:
Neubert kenne ich auch keinen.

Vorsitzender Richter:
Auch keinen. Und Scherpe?

Zeuge Karl Hölblinger:
Bitte, der Name ist mir bekannt, aber ich weiß nicht, wohin mit ihm.

Vorsitzender Richter:
Nun, da ist auch immer ein Arzt mitgefahren, sagen Sie. Welche Ärzte haben Sie mit Namen gekannt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das ist einmal der Herr Doktor Wirths gewesen, […] ein Großer. Und dann der Lagerarzt, wie hat denn der geheißen?

Vorsitzender Richter:
Entress? Klein?

Zeuge Karl Hölblinger:
Entress

Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Thilo?

Zeuge Karl Hölblinger:
Entress, glaube ich, hat er geheißen.

Vorsitzender Richter:
Haben Sie auch den Doktor Lucas gekannt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Vorsitzender Richter:
Nein. Nun, wenn Sie also da nachts Alarm hatten und sind auf die Rampe gefahren, was haben Sie denn dort gesehen? Was taten denn da die Sanitätsdienstgrade, und was tat der Arzt, wenn die an die Rampe kamen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, gar nichts, die sind bei mir im Sanitätswagen geblieben, die haben ja nichts zu tun gehabt an der Rampe.

Vorsitzender Richter:
Ja, uns ist bisher immer erzählt worden, daß die Ärzte zum Beispiel zu unterscheiden gehabt hätten zwischen den arbeitsfähigen und nicht arbeitsfähigen Leuten.

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] Bitte, das weiß ich nicht. Ich bin vom ganzen Sanitätswagen ja nicht weggegangen, und wer da entschieden hat, ob die ins Lager kommen oder nicht ins Lager kommen, ich glaube, das ist…

Vorsitzender Richter:
Wer hat denn diese Entscheidung getroffen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das weiß doch ich nicht, vielleicht der Transportführer mit dem Arzt.

Vorsitzender Richter:
Ja, also bei Ihrer Vernehmung in Wien haben Sie noch

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ich weiß es nicht! Ich kann nichts Genaues sagen über das, weil ich ja nicht zugegen war, also dort mit ihnen die Verhandlungen angehört habe.

Vorsitzender Richter:
Am 24. Mai 1962, Vorhalt aus 12.515, bei Ihrer Vernehmung in Wien hatten Sie noch ein bißchen besseres Gedächtnis, da haben Sie gesagt: »Die Ärzte hatten auch turnusweise Dienst, die Ausmusterung für die Vergasung erfolgte an der Rampe durch einen der Schutzhaftlagerführer.«3

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das ist ja kein Arzt, Lagerführer.

Vorsitzender Richter:
Ja, und ich habe Sie grade eben gefragt: »Wer hat denn die Ausmusterung vorgenommen?« Und da haben Sie gesagt: »Das weiß ich nicht.« Wenn ich Ihnen nun vorhalte, daß Sie damals gesagt haben, es wäre der Schutzhaftlagerführer gewesen, können Sie sich da jetzt drauf entsinnen?

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] So genau ist das nicht, was da aufgenommen worden ist.

Vorsitzender Richter:
Warum?

Zeuge Karl Hölblinger:
Weil der Schutzhaftlagerführer ja nicht immer an einem Transport gewesen ist, glaube ich.

Vorsitzender Richter:
Ja, nun, wer hat denn nun dann die

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Der jeweilige Transportleiter, der bestimmt worden ist, denke ich.

Vorsitzender Richter:
Der Transportleiter?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, der eben bestimmt worden ist.

Vorsitzender Richter:
Der Transportleiter hatte doch nur die Aufgabe, die Leute in Auschwitz an der Rampe abzuliefern. Dann kamen sie doch in den Gewahrsam des Lagers. Dann mußte also doch eine andere Person da eingesetzt werden. Der konnte doch im Lager nicht herumfuhrwerken, so ging es ja nun auch nicht. Nun, weiter. Was geschah denn nun mit den Leuten, die nicht arbeitsfähig waren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Sobald sie Juden waren, sind sie eben zur Vergasung gekommen, zur Vergasung gekommen.

Vorsitzender Richter:
Und wie geschah das? Mußten sie

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ja, die sind mit dem Transport, mit den Wagen rausgeführt worden zur Gaskammer.

Vorsitzender Richter:
Also da waren Wagen dort. Waren das Lastwagen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und wie viele Personen wurden da ungefähr auf einen Wagen draufgeladen? Sie haben mal gesagt, 30 bis 50 Personen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das ist möglich, 30. 70 Personen gehen auch drauf.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Und wie viele Wagen waren es?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, wie viele? Es kommt auf die Größe des Transportes an, entweder fünf oder sechs oder mehr auch.

Vorsitzender Richter:
Je nach der Größe des Transportes.

Zeuge Karl Hölblinger:
Oder sind öfters gefahren eben, wiederum.

Vorsitzender Richter:
Oder sie sind öfter gefahren. Ja, und wann fuhren Sie denn nun mit dem Sanka nach der Vergasungsanlage?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich bin schon vorher hingefahren, also vor den Transporten. Bitte, ich kann mich ja nicht mehr so genau erinnern – das sind 20 Jahre her, entschuldigen Sie schon –, ob ich jetzt vorher gefahren bin oder nachher gefahren bin.

Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Sie haben damals gesagt: »Wenn diese Lastwagen von der Rampe abfuhren, mußte ich mich mit dem Sanka hinten anschließen.«4

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, dann wird es so gewesen sein, es ist ja schließlich egal

Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Wird es so gewesen sein.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ob ich jetzt vorn fahre oder hinten, hinfahren habe ich müssen.

Vorsitzender Richter:
Und wer hat Ihnen denn nun gesagt, daß Sie dort hinfahren müßten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nun, ich habe doch den Befehl gehabt, der ist ja von der Fahrdienstleitung [+ gekommen].

Vorsitzender Richter:
Ja, gewiß, aber wann Sie abfahren mußten, Sie mußten

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Der Arzt hat das gesagt: »Also, wir können schon fahren.«

Vorsitzender Richter:
Und wo war denn nun die Vergasung, wo fand die denn statt?

Zeuge Karl Hölblinger:
In Birkenau.

Vorsitzender Richter:
In Birkenau. Und können Sie sich noch entsinnen, wo das in Birkenau war?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, wie? Wie entsinnen, was bezeichnen?

Vorsitzender Richter:
Ja, wenn Sie mal hier an die Karte treten wollten, die da an der Wand hängt. Da sehen Sie links einen gelben Strich – gehen Sie mal hin, gucken Sie es sich mal an –, das soll die Rampe darstellen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Das kenne ich gar nicht, das Lager. […]

Vorsitzender Richter:
Das ist Birkenau.

Zeuge Karl Hölblinger:
So war es damals nicht.

Vorsitzender Richter:
So war es damals nicht? Wie war es denn?

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] Da war noch gar keine Rampe5 im Lager. […] Da sind noch gar keine Gleise in das Lager hineingegangen, wie ich dort war.

Vorsitzender Richter:
Ja, Sie sagten doch, die Rampe war in Birkenau, das war im Jahr 1943.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das hat zu Birkenau gehört. Birkenau hat [jenseits] der Bahn angefangen.

Vorsitzender Richter:
Ja.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich sehe da keinen Bahndamm, gar keinen.

Vorsitzender Richter:
Doch, da ist eine Bahnrampe.

Zeuge Karl Hölblinger:
Wo?

Vorsitzender Richter:
Und zwar, wenn Sie

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Im Lager?

Vorsitzender Richter:
Nehmen Sie mal den Stock. Wenn Sie da links hinfahren würden, ja? Das ist die Rampe, ganz recht.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das ist die Rampe. Aber bitte, es ist ja da noch ein Gleis gegangen, das nach Krakau raufgegangen ist.

Vorsitzender Richter:
Aber nicht durchs Lager.

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein. Und neben diesem Gleis war damals die Rampe.

Vorsitzender Richter:
Ah, die war noch nicht im Lager Birkenau?

Zeuge Karl Hölblinger:
Die war noch nicht im Lager drinnen, wie ich dort war.

Vorsitzender Richter:
Aha. Und wo war denn nun die Vergasung, wo fand denn die Vergasung statt?

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] Also ich nehme an, daß hier die Bahnlinie geht, nach Krakau, bitte. Stimmt das?

Vorsitzender Richter:
Ja, die ist unten. Ja, ja.

Zeuge Karl Hölblinger:
Dann war hier die Rampe von Birkenau damals, und hier draußen ungefähr war die Vergasung.

Vorsitzender Richter:
Ja, in den Bauernhäusern.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Das waren umgebaute Bauernhäuser.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Schön, dann nehmen Sie wieder Platz. [Pause] Ja. Sie haben damals gesagt, die Leute hätten erst in die Stallbaracke gehen müssen und sich dort ausziehen müssen und von dort seien sie in den Bunker geführt worden.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
So war es? [Pause] Und hatte dieser Bunker zwei Räume oder nur einen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das sind getrennte Bunker gewesen, für Männer und Frauen.

Vorsitzender Richter:
Das waren zwei Bunker? Zwei getrennte Häuser.

Zeuge Karl Hölblinger:
Zwei Bunker, jawohl.

Vorsitzender Richter:
Die Antwort auf diese Frage können Sie verweigern: Ich frage Sie, ob Sie mit Ihrem Sanka nicht, mit den Scheinwerfern, den Bunker anstrahlen mußten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Und dann haben Sie gesagt, die Gasbüchsen wären in eine unter dem Dach befindliche Luke hineingeschüttet worden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Das haben Sie ja vorhin auch gesagt. Sie sagten, Sie hätten sich um diese Vorgänge nicht gekümmert, und [Pause] den Befehl hätten Sie von der Fahrbereitschaft bekommen. Nun, sagen Sie, hatten Sie einen schriftlichen Fahrbefehl zu diesen Fahrten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Innerhalb des Lagers nicht.

Vorsitzender Richter:
Innerhalb des Lagers nicht. Haben Sie auch mal einen Fahrbefehl bekommen, um solche Gasbüchsen außerhalb des Lagers zu holen von einer Fabrik?

Zeuge Karl Hölblinger:
Überhaupt nicht.

Vorsitzender Richter:
Nein. Haben Sie einmal einen Befehl bekommen, daß Sie sogenannte Muselmänner nach Birkenau bringen mußten?

Zeuge Karl Hölblinger:
Auch nicht.

Vorsitzender Richter:
Und daß diese »Muselmänner« dort von einem Arzt, zusammen mit dem Nierzwicki, durch Einspritzungen getötet worden sind?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ist mir nichts bekannt.

Vorsitzender Richter:
Ich lese Ihnen vor, 12.516: »Einmal mußte ich auch, über Befehl der Fahrbereitschaft, mit einem Sanka vom Stammlager circa zehn ›Muselmänner‹ nach Birkenau zu einem mir unbekannten Gebäude bringen. Dort wurden die ›Muselmänner‹ von einem mir unbekannten Arzt unter Assistenz des SDG Nierzwicki ›abgespritzt‹. Ich kann mich heute nicht mehr genau erinnern, es könnte aber sein, daß der Arzt, der dies gemacht hat, der Standortarzt Doktor Wirths war. Nachher mußte ich die Leichen mit dem Sanka in das Krematorium des Stammlagers führen.«6 Ist doch eine ganz eingehende Schilderung. Und da wissen Sie heute nichts mehr davon?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na ja, es ist schon viel Zeit darüber geronnen, Herr…

Vorsitzender Richter:
Das sind genau zwei Jahre seit Ihrer Vernehmung: 24.5.62 in Wien vor dem Oberlandesgerichtsrat Franz Fiedler, in Gegenwart des Untersuchungsrichters Doktor Düx aus Frankfurt am Main. Das haben Sie vor zwei Jahren noch gewußt, und vor zwei Jahren, das war ja immerhin 20 Jahre fast von den damaligen Vorkommnissen entfernt, während es heute nur zwei Jahre seit Ihrer Vernehmung sind. Damals haben Sie das gewußt, heute wissen Sie es nicht mehr?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, wenn ich es damals gesagt habe, wird es wahr gewesen sein, das ist ja klar. Bitte, dann kann ich das heute auch wieder bestätigen. Wenn ich daran erinnert werde, nicht wahr, fällt einem das vielleicht ein.

Vorsitzender Richter:
Haben Sie denn öfter Leichen befördert mit Ihrem Sanka?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, ich habe einmal Leichen befördert, die, sagen wir, »auf der Flucht erschossen« worden sind. Die habe ich holen müssen, weil ich der einzige Wagen war, der nur die Häftlinge hat fahren dürfen, ob lebend oder tot.

Vorsitzender Richter:
Ja, haben Sie denn öfter Leichen gefahren, die vorher durch Einspritzungen getötet worden waren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, überhaupt sonst keine.

Vorsitzender Richter:
Ja, und dann müßte Ihnen das doch eigentlich sehr in Erinnerung sein, denn ich könnte mir vorstellen

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ja, ich sage ja, ich kann mich ja wieder erinnern, nicht [unverständlich]

Vorsitzender Richter [unterbricht]:
Sie können sich wieder erinnern? Haben Sie den Angeklagten Dylewski gekannt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Dylewski? Dylewski? Nicht bekannt. [Pause] Soll das auch ein Sanitäter sein?

Vorsitzender Richter:
Nein, das war ein Mitglied der Politischen Abteilung. Wer hat Sie denn damals vernommen, als Sie ohne Fahrbefehl zwei SS-Leute, die auf Urlaub fuhren, zum Bahnhof brachten?

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] Es war auf jeden Fall ein Wiener, […] aber ich weiß nicht mehr, wie er heißt.

Vorsitzender Richter:
Ja. Und Sie sind dann auch mal in den Bunker gekommen, bevor Sie zur Strafkompanie kamen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, da bin ich auch wegen dem in den Bunker gekommen, weil ich die dort hingeführt habe an den Bahnhof.

Vorsitzender Richter:
Oder war das wegen dieser anderen Sache, wo Sie nachher degradiert worden sind?

Zeuge Karl Hölblinger:
Da bin ich ein zweites Mal in den Bunker gekommen, ja.

Vorsitzender Richter:
Wer hat Sie denn damals in den Bunker eingewiesen? […]

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] Das erste Mal?

Vorsitzender Richter:
Ja, und das zweite Mal.

Zeuge Karl Hölblinger:
Das zweite Mal bin ich abgeholt worden dort vom Gericht.

Vorsitzender Richter:
Nein, also wer hat Sie denn in den Bunker geschickt, wer hat Sie denn dort festgenommen und hingebracht?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, da kann ich mich nicht erinnern.

Vorsitzender Richter:
Das wissen Sie nicht mehr. Ja, ich habe keine Fragen mehr an den Zeugen. Bitte schön.

Richter Perseke:
Sie sagten, der Klehr wäre nur ein einziges Mal mit Ihnen im Sanka gefahren, ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Richter Perseke:
Oder eben in dem Gefängniswagen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja. Im Gefängniswagen.

Richter Perseke:
Ein einziges Mal. Haben Sie den Klehr zu diesem Zeitpunkt schon gekannt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, selbstverständlich.

Richter Perseke:
Woher haben Sie ihn gekannt? […] Haben Sie dienstlich mit ihm zu tun gehabt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, eigentlich nie.

Richter Perseke:
Ja, woher kannten Sie ihn dann?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, weil er eben Sanitäter war und weil man sich öfters begegnet ist.

Richter Perseke:
Dann verstehe ich nicht, daß Sie nicht die Namen von den zweien wissen, die immer mit Ihnen im Sanka zur Rampe gefahren sind beziehungsweise zur Gaskammer.

Zeuge Karl Hölblinger:
Immer mit mir? Ich weiß gar nicht

Richter Perseke [unterbricht]:
Bitte? Ja, Sie sagten doch vorhin

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ob es immer die gleichen waren? Die waren nie

Richter Perseke [unterbricht]:
Ja, es seien immer die gleichen mit Ihnen zur Gaskammer gefahren. Die Namen

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Es sind immer die gleichen gewesen?

Richter Perseke:
Zwei wären immer mit Ihnen gefahren, haben Sie

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ja, zwei wären immer mit mir gefahren, aber da

Richter Perseke [unterbricht]:
Schön. Und die Namen von diesen beiden hätten Sie damals nicht gewußt.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich bin ja nicht täglich gefahren. Auch vielleicht nicht wöchentlich, vielleicht alle 14 Tage oder je nachdem, wie man zum Dienst grade drangekommen ist, daß grade der Transport gekommen ist.

Richter Perseke:
Ja, schön. Dann verstehe ich nicht, daß Sie die Namen von diesen beiden damals nicht gewußt haben.

Zeuge Karl Hölblinger:
Vielleicht habe ich sie damals gewußt, vielleicht. Ich glaube kaum, daß ich sie gewußt habe. Ich kann mich nicht mehr erinnern.

Richter Perseke [unterbricht]:
Ja, heute haben Sie aber gesagt, Sie hätten sie nicht gekannt.

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, ich sage, vielleicht habe ich sie gekannt. Ich glaube kaum, daß ich sie gekannt habe. Ich kann mich gar nicht erinnern, daß ich sie gekannt hätte, weil dann wieder Fremde gekommen sind, die vom Kurs zurückgekommen sind. Die haben ja auch einen Kurs machen müssen.

Richter Perseke:
Ja, ich wundere mich nur, daß Sie den Namen Klehr heute so spontan gesagt haben, als der Vorsitzende Sie fragte, wer mit Ihnen gefahren ist

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Ja, Klehr, der war doch lange im Lager, den hat man doch

Richter Perseke [unterbricht]:
Und nachher wollen Sie die beiden nicht gekannt haben, die mit Ihnen gefahren sind. Ist mir nicht ganz klar.

Zeuge Karl Hölblinger [unterbricht]:
Wie sollen die geheißen haben? Vielleicht kann ich mich erinnern auf die Namen, wenn Sie mir sie nennen. Aber [Pause]

Vorsitzender Richter:
Keine Fragen mehr? Die Staatsanwaltschaft.

Staatsanwalt Kügler:
Herr Hölblinger, sind Sie ganz sicher, daß Sie erst Ende 1942 nach Auschwitz gekommen sind?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ganz sicher bin ich mir nicht.

Staatsanwalt Kügler:
Kann das möglich sein, daß das, was Sie uns da geschildert haben mit den Vergasungen in den Bunkern, im Jahre 1942 war?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, ich bin 40 eingerückt und bin zu Weihnachten 40 – ich weiß nicht, war ich schon zu Weihnachten dann in Auschwitz oder war ich erst nach Weihnachten in Auschwitz, das weiß ich nicht.

Staatsanwalt Kügler:
Können Sie sich erinnern, wie das organisiert war mit den Sanitätsdienstgraden, die das Gas zur Rampe mitgenommen haben? Hatte der Klehr damit irgend etwas zu tun, war das der Chef von denen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das weiß ich nicht, das entzieht sich meiner Kenntnis. Ist mir auch nie was gesagt worden drüber, und ich habe auch niemanden was gefragt.

Staatsanwalt Kügler:
Ist Ihnen da nicht bekanntgeworden, ob dieses Kommando einen besonderen Namen hatte, wollen mal sagen beispielsweise Vergasungskommando oder so was, Desinfektionskommando?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das ist auch möglich.

Staatsanwalt Kügler:
Ja. […]

Vorsitzender Richter:
Wie haben Sie sie denn genannt, wenn Sie von denen gesprochen haben, damals im Lager?

Zeuge Karl Hölblinger:
Vergaserfritzen.

Vorsitzender Richter:
Die Vergaserfritzen, ja. Und da wußten Sie nicht, ob der Klehr mit denen was zu tun hatte?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, das habe ich nicht gewußt.

Vorsitzender Richter:
Ja? Dann muß ich Ihnen vorhalten aus Ihrer Aussage in Wien vor dem Untersuchungsrichter, da sagten Sie: »Meiner Erinnerung nach dürften die Vergaserfritzen dem höchsten Sanitätsdienstgrad, dem SS-Oberscharführer Klehr, unterstanden sein.«7

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das ist keine Behauptung. »Dürften sie«, das ist – also, wenn ich glaube, das ist…

Vorsitzender Richter:
Ist noch eine Frage, Herr Staatsanwalt?

Staatsanwalt Kügler:
Ja. Sie sagten, Sie seien nur nachts zur Rampe gegangen, habe ich das richtig verstanden?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Staatsanwalt Kügler:
Tagsüber nie.

Zeuge Karl Hölblinger:
Nie.

Staatsanwalt Kügler:
Nie. Dann sagten Sie, Leiter der Fahrbereitschaft sei der Herr Wiegand gewesen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Staatsanwalt Kügler:
Das ist ja auch so richtig. Nun sagten Sie bei Ihrer Vernehmung in Wien, die Fahrbereitschaft als ganzes habe der Kommandantur unterstanden. Ist das richtig?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, ja.

Staatsanwalt Kügler:
Woraus schließen Sie das, oder woher wissen Sie das?

Zeuge Karl Hölblinger:
Na, weil wir doch, sagen wir, Kommandierte waren.

Staatsanwalt Kügler:
Sie waren zur Kommandantur kommandiert, ja. Ob Chef der Fahrbereitschaft: Also der Unterschied zwischen Chef und Leiter der Fahrbereitschaft, ist Ihnen der bekannt? Wer gab denn die Fahrbefehle aus, wenn Sie mal aus dem Lager herausmußten, wer unterschrieb die?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, wir haben sie bekommen von Herrn Hauptscharführer Wiegand.

Staatsanwalt Kügler:
Hat der sie auch unterschrieben? [Pause] Von ihm haben Sie sie bekommen, ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, das kann ich nicht sagen.

Staatsanwalt Kügler:
Das können Sie nicht sagen, ob der sie unterschrieben hat? Danke schön, ich habe keine Fragen mehr.

Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Raabe.

Nebenklagevertreter Raabe:
Eine Frage, Herr Zeuge. Wie lange dauerte durchschnittlich eine Selektion auf der Rampe?

Zeuge Karl Hölblinger:
Eine Ausladung?

Nebenklagevertreter Raabe:
Ja.

Zeuge Karl Hölblinger:
[Pause] Stunde, eineinhalb.

Nebenklagevertreter Raabe:
Eine Stunde, ja, gut. Was haben Sie denn dann dort gemacht auf der Rampe, eine Stunde lang?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, da bin ich entweder im Wagen gesessen oder bin eben bei meinem Wagen gewesen auf jeden Fall.

Nebenklagevertreter Raabe:
Und die Sanitäter saßen auch im Wagen, ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Nebenklagevertreter Raabe:
Und die Ärzte auch?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, der Arzt, ich meine, der hat sich schon bewegt.

Nebenklagevertreter Raabe:
Wie, im Wagen? Hat er sich die Beine bewegt, oder?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, der ist ausgestiegen und ist zu den Dienstgraden hingegangen, hat sich vielleicht unterhalten, ich weiß nicht, was er gemacht hat. Möglich, daß er

Nebenklagevertreter Raabe [unterbricht]:
Also, der Arzt ist ausgestiegen? Vorhin sagten Sie eben, er blieb im Wagen oder beim Wagen. Er ist also ausgestiegen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Bei der Vergasung.

Nebenklagevertreter Raabe:
Nein, ich spreche von der Rampe momentan.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Nebenklagevertreter Raabe:
Er ist also ausgestiegen aus dem Wagen und ist auf die Rampe gegangen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Nebenklagevertreter Raabe:
Also ja oder nein?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, nicht jeder. Einmal ist er ausgestiegen, einmal ist er auch am Wagen geblieben. Das ist ja

Nebenklagevertreter Raabe [unterbricht]:
Was war die Regel? […]

Zeuge Karl Hölblinger:
Die Regel?

Nebenklagevertreter Raabe:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Die Regel, was er in der Regel getan hat, normalerweise, ob er sitzengeblieben ist oder ob er meistens ausgestiegen ist, will der Herr Rechtsanwalt wissen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, meistens ausgestiegen.

Nebenklagevertreter Raabe:
Meistens ist er ausgestiegen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Weil es ja länger gedauert hat.

Nebenklagevertreter Raabe:
Haben Ihnen die Ärzte dann erzählt, was sie auf der Rampe gemacht haben?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Nebenklagevertreter Raabe:
Nicht? Haben Sie sie mal gefragt?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein, das war doch ein Vorgesetzter.

Nebenklagevertreter Raabe:
Was hatten Sie eigentlich für einen Eindruck, was es für einen Sinn hatte, daß Sie eine Stunde lang auf der Rampe herumstanden oder -saßen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, danach habe ich ja nicht gefragt, denn, bitte, wir sind sehr oft herumgestanden, sinnlos.

Nebenklagevertreter Raabe:
Ja, aber es konnte Ihnen doch nicht angeordnet werden, jeden Tage eine Stunde lang sinnlos rumzustehen. Es war doch genau eingeplant, daß Sie vor der Vergasung auf die Rampe fahren, was war also der Sinn dieses Befehls, ist Ihnen das mal klargeworden?

Verteidiger Steinacker:
Das ist doch keine Frage.

Nebenklagevertreter Raabe:
Doch, das ist eine Frage.

Verteidiger Steinacker:
Ich widerspreche der Frage in dieser Form, was der Sinn eines Befehls ist.

Zeuge Karl Hölblinger:
Der Sinn? Das ist ja nicht jeden Tag vorgekommen.

Vorsitzender Richter:
Nun ja, Herr Rechtsanwalt Steinacker, so einfach ist es nicht.

Verteidiger Steinacker:
Ja, [man] kann doch nicht die Frage beantworten, was der Sinn eines Befehls ist.

Vorsitzender Richter:
Der Herr Nebenkläger kann zum Beispiel fragen: Warum sollten Sie denn an die Rampe fahren? Sehen Sie, und da kommen wir schon gleich auf den Sinn des Befehls.

Verteidiger Steinacker:
Ja, ja gut, in Ordnung, beanstande ich die Frage nicht.

Vorsitzender Richter:
Es ist toute la même chose. Also bitte schön: Warum sind Sie denn überhaupt an die Rampe gefahren? Das will der Herr Nebenkläger wissen von Ihnen.

Zeuge Karl Hölblinger:
Weil der Transport angekommen ist. Wenn kein Transport kommt, fahre ich ja nicht hinaus.

Nebenklagevertreter Raabe:
Nein, nein, wir sprechen von der Zeit, wenn ein Transport ankam.

Vorsitzender Richter:
Ja, na, selbstverständlich, »weil der Transport angekommen ist«. Ja, und warum sollten Sie denn, wenn ein Transport ankam, dorthin fahren?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, weil eben die Vergaserfritzen zugegen sein mußten, wenn sie vergasen wollten.

Vorsitzender Richter:
Ja. Die haben aber doch nicht an der Rampe vergast, sondern doch in diesem Bunker vergast.

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja.

Vorsitzender Richter:
Warum wurden die denn erst spazierengefahren an die Rampe?

Zeuge Karl Hölblinger:
Das ist ein Weg gewesen, das war im Vorbeifahren.

Vorsitzender Richter:
Ja, sind Sie nur vorbeigefahren an der Rampe?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein. Das war ja ein Weg, die Rampe ist ja am Weg gelegen von uns damals. Nicht diese Rampe, die damalige Rampe.

Vorsitzender Richter:
Nein, nein, Sie sagten es ja, es war die Alte Rampe. Ja, und da sind Sie da vorbeigefahren. Sie sind aber nicht vorbeigefahren, sondern Sie haben angehalten, und Sie hatten ja auch die Vorschrift, dort anzuhalten. Und warum mußten Sie denn die Leute da ausgerechnet erst zur Rampe fahren, warum sind Sie denn nicht gleich durchgefahren zu dem Bunker?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ich bin dort stehengeblieben, weil es mir befohlen worden ist, und bin eben nicht weitergefahren und erst dann weitergefahren, [als] mir der Arzt den weiteren Befehl gegeben hat. Ich bin dem Arzt unterstanden.

Vorsitzender Richter:
Sie sind dem Arzt unterstanden Und warum wollte der Arzt denn dorthin fahren, wenn sie doch gar nicht ausgestiegen sind oder wenn die Ärzte gar nichts zu tun hatten dort, warum wollten die denn dort hinfahren? Nur aus Neugierde vielleicht, oder?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, bitte, ich habe einen Arzt nie gefragt, warum er…

Nebenklagevertreter Raabe:
Aber jedenfalls, sie sind in der Regel ausgestiegen, ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, sie sind ausgestiegen, haben sich die Füße vertreten, und wenn sie jemand begegnet sind, dann werden sie sich auch unterhalten haben.

Nebenklagevertreter Raabe:
Danke schön.

Vorsitzender Richter:
Herr Doktor Kaul.

Nebenklagevertreter Kaul:
Ich verspreche mir für die Wahrheitsfindung nichts, ich verzichte.

Vorsitzender Richter:
Herr Doktor Stolting II.

Verteidiger Stolting II:
Herr Zeuge, wo standen denn die Wagen der Fahrbereitschaft im Lager, wissen Sie das noch?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, in der Fahrbereitschaft drinnen, in der Garage.

Verteidiger Stolting II:
Ja, wo war die denn?

Zeuge Karl Hölblinger:
Die war in der Verlängerung von dem Kommandanturgebäude.

Verteidiger Stolting II:
Und brauchten Sie zu allen Fahrten, die Sie mit einem Lkw oder mit einem Sanka gemacht haben, einen Fahrbefehl?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein. Innerhalb des Lagers nicht.

Verteidiger Stolting II:
Innerhalb des Lagers nicht. Das heißt innerhalb des Stammlagers oder innerhalb des Lagers Birkenau?

Zeuge Karl Hölblinger:
Innerhalb des ganzen Lagers Birkenau, also Große Postenkette, wie man sagt.

Verteidiger Stolting II:
Innerhalb der Große Postenkette brauchten Sie keinen Fahrbefehl?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Staatsanwalt Kügler:
Ja, schriftlichen Fahrbefehl oder Fahrbefehl?

Verteidiger Stolting II:
Wir sprechen vom Fahrbefehl, da spreche ich, genauso wie Sie, Herr Staatsanwalt, natürlich vom schriftlichen. Vom mündlichen haben Sie bisher noch nichts in die Verhandlung hineingebracht, da brauchen wir uns auch nicht drüber zu unterhalten. Haben Sie selbst mal einen solchen Fahrbefehl gesehen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, selbstverständlich. Ich glaube schon, daß ich einen gesehen habe, öfters wie einmal, weil ich ja auch auswärts gefahren bin.

Verteidiger Stolting II:
Wissen Sie noch, was auf einem solchen Fahrbefehl draufstand?

Zeuge Karl Hölblinger:
Die Route. […] Der Ort, wo ich hinfahre.

Verteidiger Stolting II:
Ja, zum Beispiel?

Zeuge Karl Hölblinger:
Ja, Beispiel – angenommen Buna.

Verteidiger Stolting II:
Nach Buna. Haben Sie jemals einen Fahrbefehl in Händen gehabt, in dem draufstand, daß Sie zu den Gaskammern nach Birkenau fahren müssen?

Zeuge Karl Hölblinger:
Nein.

Verteidiger Stolting II:
Nein. Danke sehr, keine Frage mehr.

Vorsitzender Richter:
Herr Doktor Stolting, wenn ich den Zeugen recht verstanden habe, hat er uns doch gerade eben gesagt, innerhalb des Lagers, zu dem auch Birkenau gehörte, gab es überhaupt gar keinen schriftlichen Fahrbefehl. Dann kann doch auch nicht draufgestanden haben: Fahrt zur Gaskammer nach Birkenau.

Verteidiger Stolting II:
Eben darum, das wollte ich von dem Zeugen bestätigt haben.

Nebenklagevertreter Raabe:
Ja eben, Buna gehörte doch auch zum Lager.

Zeuge Karl Hölblinger:
Aber Buna ist doch nicht die Große Postenkette, da bin ich doch durch Auschwitz durchgefahren, über die Brücke.

Vorsitzender Richter:
Da mußte er außerhalb der Großen Postenkette fahren.

Nebenklagevertreter Raabe:
Ja, und wie war es denn mit Birkenau, das war innerhalb oder wie?

Verteidiger Stolting II:
Das hat er doch gesagt.

Zeuge Karl Hölblinger:
Birkenau ist doch auf der Rückseite von Buna.

Vorsitzender Richter:
Noch Fragen von der Verteidigung oder von den Angeklagten? Erklärungen? Nein? Werden bezüglich der Beeidigung Anträge gestellt?

Nebenklagevertreter Kaul:
Ich bitte, den Zeugen nicht zu beeidigen nach 60, Ziffer 3.

Verteidiger Stolting II:
Ich beantrage die Vereidigung des Zeugen.

Nebenklagevertreter Kaul:
Also, zunächst bin ich noch bei der Begründung meines Antrags. Gemäß § 60, Ziffer 3 ist bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bilden, der Beteiligung an ihr, verdächtigt sind, von der Beeidigung abzusehen. Von all dem, was er gesagt hat, ist eins jedenfalls konstant: Er hat bei der Durchführung der Massenmorde die Scheinwerfer des von ihm gesteuerten Pkws oder Sankas auf die Mordstätte gelenkt. Wenn das keine Beteiligung ist, dann weiß ich nicht, was strafrechtlich eine Beteiligung ist. Ich bitte, insofern von 60, Ziffer 3 Gebrauch zu machen und den Zeugen nicht zu beeidigen; ganz abgesehen, ich erspare es mir und versage es mir, auf den Eindruck, den seine weiteren Aussagen gemacht haben, hier näher einzugehen. Ich habe dem dadurch Ausdruck gegeben, daß ich von der Befragung Abstand genommen habe, weil ich es einfach mit der Würde einer allgemeinen Verhandlung, die der Wahrheitsfindung dient, nicht in Einklang bringen kann, mich an derartigen Befragungen zu beteiligen.

Vorsitzender Richter:
Herr Doktor Stolting II.

Nebenklagevertreter Raabe:
Ich schließe mich dem Antrag an.

Vorsitzender Richter:
Ja. Wollten Sie noch das Wort haben?

Verteidiger Stolting II:
Ich beantrage die Beeidigung des Zeugen. Die Ausführungen des Nebenklägers Kaul nehme ich grundsätzlich nicht zur Kenntnis.

Vorsitzender Richter:
Herr Rechtsanwalt Göllner.

Verteidiger Göllner:
Ich schließe mich dem Antrage meines Kollegen Stolting an und beantrage Vereidigung des Zeugen.

Vorsitzender Richter:
Ja. Das Gericht wird dann darüber entscheiden. Bitte nehmen Sie einstweilen mal Platz da hinten, ja?

Zeuge Karl Hölblinger:
Bitte.

Vorsitzender Richter:
Es ergeht dann Beschluß. »Die Protokolle über die Vernehmung der Zeugen Gorecki und Zajac sollen gemäß § 251, Absatz 2, Strafprozeßordnung«8

– Schnitt –

1. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 24.05.1962 in Wien, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 67, Bl. 12.513.
2. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 24.05.1962 in Wien, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 67, Bl. 12.513 f.
3. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 24.05.1962 in Wien, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 67, Bl. 12.515.
4. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 24.05.1962 in Wien, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 67, Bl. 12.515.
5. Die Rampe zwischen den Lagerabschnitten BI und BII in Birkenau wurde im Mai 1944 fertiggestellt.
6. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 24.05.1962 in Wien, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 67, Bl. 12.516.
7. Vgl. kommissarische Vernehmung vom 24.05.1962 in Wien, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 67, Bl. 12.515.
8. Vgl. Protokoll der Hauptverhandlung vom 03.07.1964, 4 Ks 2/63, Hauptakten, Bd. 100, Bl. 470.