Dr Tiso

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April 1943, Hitler, Tiso, Aktion 1005

17/18 APRIL

Hitler trifft sich im Schloss Kleßheim in Salzburg mit Horthy um unteranderem weiter Druck auf die ungarische Regierung auszuüben. Hitler erklärt Horthy seine Sicht der Dinge “[Polen] ….Wenn die Juden dort nicht arbeiten wollen, würden sie erschossen. Wenn sie nicht arbeiten könnten, müssten sie verkommen. Sie wären wie Tuberkelbazillen zu behandeln, an denen sich ein gesunder Körper anstecken könne. Das wäre nicht grausam, wenn man bedenke, daß sogar unschuldige Naturgeschöpfe wie Hasen und Rehe getötet werden müssten, damit kein Schaden entstehe. Weshalb sollte man die Bestien, die uns den Bolschewismus bringen wollten, mehr schonen ? … Völker die sich der Juden nicht erwehrten, verkämen … Eines der berühmtesten Beispiele dafür sei das Absinken des einst so stolzen Volkes der Perser, die jetzt als Armenier ein klägliches Dasein führten.”

22 APRIL

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Tiso Staatspräsident der Slowakei mit Hitler –  Priester und Faschist (Quelle Grenzbote ÖNB ANNO ) Hitler trifft nun 1943 seine treuen Verbündeten um Abstimmungen in Kriegs – und Judenfragen zu treffen. Auch Tiso kommt am 22 April nach Salzburg. In seiner Begleitung Ministerpräsident Tuka, sowie der Innenminister Alexander Mach.

Der “Völkerrechtler” Dr Tuka (1941 in Berlin reicht Hitler die Hand) der sich wie Hitler als Führer bezeichnete. Die faschistische Bewegung “Hlinka” in der Slowakei hatte daher auch ihre eigenen Symbole  wie an Tukas Ärmel zu erkennen. Tuka war einer der treuesten Anhänger des Hitlerismus.

Die Nazideutschen drängen den slowakischen Ministerpräsidenten als auch Tiso den Staatspräsidenten zur Auslieferung der letzten 20 000 vorwiegend getauften Juden. Der  Ministerpräsident und Völkerrechtler  sieht sich jedoch nun erheblichen Protesten gegenüber. Die slowakische Geistlichkeit lässt in ihren Diözesen einen Hirtenbrief verlesen in dem man sich gegen die Deportationen der Juden ausspricht und auch von Seiten der Bevölkerung beginnt sich Widerstand zu mobilisieren. Am 13 April traf Tuka den deutschen Gesandten Ludin der berichtete folgendes über diese Treffen:

“Ministerpräsident Dr Tuka ließ mich wissen, daß die slowakischen naiven Geistlichen derartige Gräuelmärchen glauben würden und er wäre sehr dankbar, um diesen Gräuelmärchen entgegenzutreten zu können, von deutscher Seite eine Beschreibung der Verhältnisse in den Judenlagern zu erhalten. Weiters würde er es für besonders propagandistisch wertvoll halten, wenn eine slowakische Abordnung, die zweckmäßigerweise aus einem Abgeordneten, einem Journalisten und vielleicht auch einem katholischen Geistlichen zusammengesetzt sein sollte, ein deutsches Judenlager besuchen könnte. Wenn sich eine derartige Besichtigung organisatorisch ermöglichen ließe, würde ich die Durchführung durchaus begrüßen .” fügte Ludin hinzu….

16 APRIL

Wienerwald den 16 APRIL 1943

AN DEN VORSTAND DES LEBENSBORN

SS-Standartenführer Sollmann

ZENTRALE

Standartenführer,

…Es handelt sich um eine Kindesmutter Agnes Spangenberg. Schon in der ersten Zeit ihres Hierseins verursachte sie erhebliche
Unruhe unter den Müttern durch Schwätzereien über ihre Tätigkeit bei der Gestapo in Smolensk. Sie gab ausführliche Berichte von Massenhinrichtungen
von Juden ,wobei auch Säuglinge durch Genickschuss getötet sein sollen. Ich habe sie damals energisch zur Rede gestellt, da derartige Schilderungen sicher nicht in den Rahmen eines Entbindungsheimes gehören … Es grüßt gehorsamst mit                    

HEIL HITLER !

(DR SCHWAB) SS- OBERSTURMFÜHRER und HEIMLEITER

“ENTERDUNGSAKTION”

Knochenmühlen, vernichtende Wahrheit hinter dem  “Vernichtungsbetrieb” aufgenommen im Konzentrationslager Janowska

Das von Heydrich zwischen Jänner und März 1942 begonnene Projekt des Einsatkommandos 1005 – benannt nach dem Aktenzeichen im Reichssicherheitshauptamt welches unter dem Kommando des düsseldorfer Architekten Paul Blobels stand und dazu gedacht war, die Beseitigung der Beweise der menschlichen Überreste der Massenexikutionen und Vergasungen durchzuführen, sollte in diesem Zusammenhang, nun vor neue umfangreiche Aufgaben gestellt werden. Die Tatsache der vorrückenden russischen Armeen, veranlasste Blobel, zu einer Forcierung seiner Aufgabe. Ab August bildete man hierzu drei Sonderkommandos- 1005 A, B, in der Ukraune,  Mitte  in Weißrussland (C), welche die Massengräber zu exhumieren begannen. Die „Überreste“ wurden oftmal  durch jüdische Häftlinge selbst beseitigt. Hierzu bewegte man sich von Ost nach West. Gleichzeitig richtete man lokale Kommandostellen im Baltikum, Bezirk Bialystok, Generalgouvernement, in den Reichsgauen- Danzig Westpreußen und dem Wartheland sowie in Jugoslawien ein. Erste Versuche die Gräber zu sprengen gab man schnell auf und man begann wie schon zuvor im regulären Vernichtungsbetrieb die Toten auf Scheiterhaufen oder auf Schienensträngen zu verbrennen. Um die nichtverbrennbaren Teile der Körper zu zerkleinern, ein, „Problem“ daß schon während des Euthanasieprogramms aufgetreten war, und in manchen Lagern dazu geführt hatte daß man Getreidemühlen bei Bauern konfiszierte, begann man nun mit sogenannten speziellen Knochenmühlen die Überreste von Massenmorden zu beseitigen.

QUELLEN:

1) zu den Treffen Horthy , Tiso Tuka in Kleßheim siehe Saul Friedländer Jahre der Vernichtung S 511 – 513 als auch die Zeitungen in der Österreichischen Nationalbibliothek Projekt ANNO.

2) Zu Horthy siehe Andreas Hillgruber  staatsmänner und Diplomaten bei Hitler Vertrauliche Aufzeichnungen über Unterredungen mit Vertretern des Aulandes Bd. 2 Frankfurt a. M 1970 s256 f  wir zitierten aus Friedländer Jahre der Vernichtung S511.

3) Ludins Bericht ist aus den Akten zur deutschen Auswärtigen Politik  1918- 1945 Serie E 1941- 1945 Bd 5 S 581ff Saul Friedländer Jahre der Vernichtung S 513

4) 16 April zitiert nach LEBENSBORN EV –  HILLEL S85 weitere Angaben finden sich nicht jedoch betont Hillel dessen Buch zur Grundlage der Standardliteratur zu dem Thema Lebensborn wurde dass er dieses Titat aus einem Originaldokument zitierte. (letzte Seite des Buches)

5) „Enterdungsaktion“ siehe zb  Enzyklopädie des Nationalsozialismus  S494

15 März 1939 Besetzung Böhmen und Mähren

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Bildquelle: RADIO CZ

Links Volks Zeitung daneben und darunter das Interessante Blatt vom 16 März 1939 Vorgeschichte: Am 1 Oktober 1938 marschierten deutsche Truppen in das “ Sudetenland“ ein. Dies war Teil des Münchner Abkommens, die „deutschsprachigen Gebiete“ der Tschechoslowakei an das Deutsche Reich anzuschließen. Etwa 400 000 Tschechen wurden vertrieben als Antwort der Nazis auf die einstige außer Kontrolle geratene Politik der Tschechen in der deutschsprachigen „Minderheitsfrage“ . Am 6 Oktober 1938 erklärte Hitler er habe nun keine Gebietsansprüche in Europa mehr. Dabei konnten ihm die Generäle gerade noch davon abhalten die Tschechoslowakei militärisch zu erobern. Indessen bedurften gerade die kleinen Nationen Ostmitteleuropas, wollten sie sich durchsetzen, der Unterstützung von außen. Je extremer die nationalen und revolutionären Zielsetzungen einzelner Gruppen waren, um so mehr neigten sie zu opportunistischer Taktik, um so hemmungsloser waren sie bereit, die sogenannte nationale Selbstverwirklichung gegen den jeweiligen nationalen Hauptfeind und Nachbar mit fremder Hilfe zu bewerkstelligen.- Was hier der Autor Martin Broszat richtig erkannte, wurde der Tschecho  –  Slowakei schlussendlich zum Verhängnis. Seit 1925 war die Slowakische Volkspartei die treibende Kraft in den slowakischen Gebieten. Diese radikal nationalistische Bewegung strebte die Abspaltung von den tschechisch. böhmischen Landesteilen und dem „zentralistischen“ Prag an. Im Laufe der Jahre hatte sie sich immer weiter radikalisiert und mit ihrer Parteigarde den „Hlinka“  zunehmend  Antisemitismus und Terror verbreitet. 1938 versammelten sich die bürgerlichen Rechtsparteien hinter der Slowakischen Volkspartei und man gründete nach dem Wiener Schiedsspruch bei dem die Slowaken größere Teile ihres Landes an Ungarn verloren die autoritär regierende Einheitspartei der Slowakischen Nationalen Einheit. Ähnlich dem österreichischen „klerikalfaschistischen“ Dollfußregime  versuchte man das Land autoritär aus der Krise zu führen und suchte die Unterstützung der großen faschistischen Führungsnationen Nazideutschland und Italien. Dies war für Hitler die Chance sich nicht nur einem neuen slowakischen Bündnispartner zu bedienen sondern mit der Unterstützung  der  Autonomiebestrebungen der Slowakei das kleine Stück Resttschechoslowakei zu annektieren. So unterstützten die faschistischen Diktaturen auch die Ausrufung der so lange angestrebten slowakischen Autonomie am 14 März 1939

Hitler trifft an diesem Tag (14 März) den tschechischen Präsidenten der „Resttschechoslowakei“ Emil Hácha in Berlin, der mit seinem Außenminister gekommen war, sein Land vor dem drohenden deutschen Einmarsch zu retten. Nach der Autonomieerklärung der Slowakei, waren tschechische Truppen in das „autonome“ slowakisches  Gebiet vorgedrungen. Der von den Deutschen eingesetzte neue Ministerpräsident der Slowakei Tiso „flüchtete“ nach Berlin. Die Zerschlagung der Tschechoslowakei  durch innenpolitische Spannungen die durch Nazideutschland verschärft wurden in dem man die Slowaken politisch hofierte, finanziell unterstützte, war nun gefährdet. Hácha  hatte es gewagt den nazideutschen Interessen entgegen zu spielen in dem die Tschechoslowakei auf die Einheit ihres kleinen Staates drängte, wohl wissend, dass  nach der Abspaltung der Slowakei das kleine Tschechien zu einer deutschen Provinz verkommen würde. Doch England und Frankreich waren für einen Krieg mit Nazideutschland nicht gerüstet. Englands Garantie für die Unabhängigkeit der Tschechoslowakei blieb rein rethorisch.

Berlin, Besuch Emil Hacha, Gespräch mit Hitler

ganz links der tschechische Außenminister Dr. Chvalkovský, dann Präsident Hácha, Hitler, Göring, verdeckt- wahrscheinlich Aussenminister Ribbentrop, Keitel, ganz vorne rechts wahrscheinlich Staatssekretär Ernst von Weizäcker Quelle: Bundesarchiv Berlin aufgenommen am 15 März in Berllin

Als Hácha an diesem 14 März in Berlin eintraf, hatte die Slowakei unter dem Druck der nazideutschen Regierung ihre endgültige Unabhängigkeit erklärt. Hácha verhandelte plötzlich nicht mehr um die angestrebte Erhaltung der Tschecho – slowakei, sondern um den Erhalt seiner kleinen Resttschechei. Erst um etwa halb zwei Uhr morgens des 15 März wurde Hächa zu Hitler vorgelassen es ist ihr erstes Treffen. Der Ton Hitlers ist hart und unnachgiebig. Er weiß die Tschechei ist ihm machtlos ausgeliefert. Den militärischen Schutzwall gegen Nazideutschland hatte man schon durch den Einmarsch deutscher Truppen nach dem Münchner Abkommen in das Sudetenland verloren. Das Land liegt offen ohne Verteidigungsmöglichkeit. Das Sitzungsprotokoll von Legationsrat Hewel beschreibt folgendes Hitler zu Hácha :“ So lägen die Dinge. In Deutschland gäbe es zwei Richtungen, eine härtere, die keine Konzessionen wolle und in Erinnerung an das Vergangene wünsche, daß die Tschechoslowakei mit Blut niedergerungen würde, und eine andere, deren Haltung seinen eben erwähnten Vorschlägen entspreche.“

1069px-Czechoslovakia_1939_de.svg(Karte Quelle Wikipedia )

Was Hitler meint ist der tschechische Widerstand, Hácha soll ihm einen friedlichen Einmarsch garantieren, was jener nicht versprechen konnte. Der Druck auf Hácha muss unerbittlich gewesen sein. Nach einer Schilderung Görings was mit Prag passieren würde unter dem Bombenhagel deutscher Flieger erleidet Hácha laut Überlieferung eine Herzschwäche und Hitlers Arzt Morell musste eingreifen und den Präsidenten zu stabilisieren. Er unterschreibt etwa um 4 Uhr morgens ein von den Deutschen aufgesetztes Schriftstück, welches die Souveränität Tschechiens als unabhängiger Staat auflöste.Deutsche Truppen marschierten ein und gründeten das unter deutscher Herrschaft stehende Reichsprotektorat.

Polen dessen strategisches Grenzverteidigungssystem durch den Einmarsch der Deutschen in die Rest- Tschechoslowakei umgangen ist, kündigt jede künftige Bündnispolitik mit dem Reich auf. England tritt für die Souveränität der polnischen Grenzen ein, und strebt mit Frankreich und der Sowjetunion ein Bündnissystem an.

Im Folgenden findet man hier Das Sitzungsprotokoll des 14/15 März – Die Erklärung zur Auflösung der Tschechei Chamberlains Antwort zu den Vorgängen 17 März

DAS SITZUNGSPROTOKOLL:

Unterredung zwischen Adolf Hitler und Staatspräsident Hacha
Weitere Anwesende:
Der tschechoslowakische Außenminister Chvalkovsky Reichsaußenminister von Ribbentrop Generalfeldmarschall Göring General Keitel Staatssekretär von Weizsäcker Staatsminister Meißner Staatssekretär Dietrich Legationsrat Hewel

Staatspräsident Hacha begrüßt den Führer und drückt seinen Dank darüber aus, daß er ihn empfängt. Er habe seit langem den Wunsch gehabt, den Mann kennenzulernen, dessen wunderbare Ideen er oft gelesen und verfolgt habe. (Man setzt sich.) Hacha: Er sei bis vor kurzem ein Unbekannter gewesen. Er habe sich nie mit Politik befaßt, sondern er sei eben ein Justizbeamter im Wiener Verwaltungsapparat gewesen, und als solcher habe er sich absichtlich nicht um Politik gekümmert, damit er vor den Parteien, denen er als Richter gegenüberzutreten hatte, unbelastet gewesen sei. 1918 sei er nach Prag berufen und 1925 zum Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes ernannt worden. Als solcher habe er kein Verhältnis zu den Politikern, oder, wie er lieber sagen wollte, zu den „Politikastern“ gehabt, und er sei nur selten mit ihnen in Berührung gekommen. Er müsse zu Beginn erwähnen, daß er auch zu der Regierung kaum Beziehungen gehabt habe und daß sich sein Verkehr mit den Regierungsmitgliedern auf das mindeste beschränkt habe. Er sei nie persona grata gewesen. Mit Präsident Masaryk sei er nur einmal im Jahre bei einem Souper der Richter zusammengekommen, mit Benesch noch seltener. Das eine Mal, als er mit diesem zusammengekommen wäre, habe es Mißverständnisse gegeben. Im übrigen sei ihm das ganze Regime fremd gewesen, daß er sich gleich nach dem Umschwung die Frage gestellt habe, ob es überhaupt für die Tschechoslowakei ein Glück sei, ein selbständiger Staat zu sein. In diesem Herbst nun sei ihm die Aufgabe zugefallen, an der Spitze des Staates zu stehen. Er sei ein alter Mann. Er habe seine Bedenken überwunden, als man ihm als patriotische Pflicht hinstellte, das Amt zu übernehmen. Mit dieser Übernahme sei die schwerste Aufgabe seines Lebens an ihn herangetreten, und so habe er es gewagt, den Führer zu bitten, ihn zu empfangen.

Er habe die Überzeugung, daß das Schicksal der Tschechoslowakei in den Händen des Führers läge, und er glaube, daß das Schicksal in den Händen des Führers gut aufgehoben sei. Was sich vor kurzem in der Slowakei ereignet habe, brauche er nicht zu beklagen. Es sei schon lange seine Überzeugung gewesen, daß die verschiedenen Völker in diesem Staatskörper nicht zusammenleben konnten. Obwohl ihre Sprache ziemlich ähnlich sei, hätten sie sich sehr verschieden entwickelt, und die Tschechoslowakei sei näher mit Deutschland verwandt als mit der Slowakei, die mehr zu den Magyaren hinneige. Beziehungen hätten sie nur zu den evangelischen Slowaken gehabt, während die katholischen von den Tschechen abgelehnt worden seien. Das seien die Gründe, daß man nie zu einem guten Einverständnis hätte kommen können, und er sei froh, daß die Entwicklung diesen Weg genommen habe. Er stünde mit dieser Ansicht nicht allein, sondern sicher 80 Prozent der Bevölkerung teile sie mit ihm.

Vor einer halben Stunde habe er die Meldung bekommen, daß die Karpatho-Ukraine sich selbständig gemacht habe. Er glaube, daß der Führer mit den Slowaken keine allzu guten Erfahrungen machen werde. Dem Führer seien wohl auch in den letzten Tagen Gerüchte zu Ohren gekommen, daß von Prag aus ein Verfassungsbruch geschehen sei. Dieser Verfassungsbruch müßte je dann wohl auf sein Konto gehen. Er sei aber Jurist und wisse, daß die Entlassung der Regierung auf völlig legaler Grundlage geschehen sei. Denn die Verfassung selbst sei von einem Teil der tschechischen Regierung nicht eingehalten worden. Es seien dabei auch leider Ereignisse vorgekommen, die er bedauere, die aber durch Maßnahmen, die mit der Erhaltung der Ordnung zusammenhingen, ausgelöst worden seien. Beabsichtigt seien sie nicht gewesen. Im übrigen weine er der Slowakei keine Träne nach.

Nun käme er zu dem, was ihn am meisten bewege, zu dem Schicksal seines Volkes. Er glaube, daß gerade der Führer ihn verstände, wenn er der Ansicht sei, daß die Tschechoslowakei das Recht habe, ein nationales Leben leben zu wollen. Die geographische Lage der Tschechoslowakei verlange selbstverständlich das beste Verhältnis zu Deutschland. Dieses sei die Grundlage eines nationalen Eigenlebens. Diese Überzeugung teile der größte Teil des tschechischen Volkes. Es gäbe natürlich Ausnahmen, aber man müsse bedenken, daß die neue Tschechoslowakei erst seit 6 Monaten existiere. Es würde der Tschechoslowakei vorgeworfen, daß es dort noch viele Anhänger des Benesch-Systems gäbe. Aber diejenigen, die man nennt, sind es gar nicht. Nur in journalistischen Kreisen habe dieses System noch Freunde. Die Regierung trachte mit allen Mitteln, sie mundtot zu machen. Dieses sei so ziemlich alles, was er vortragen wolle.

Der Führer antwortet, indem er sein Bedauern darüber ausspricht, daß er dem Staatspräsidenten diese Reise habe zumuten müssen. Aber heute morgen sei er nach langem Überlegen zu der Überzeugung gekommen, daß diese Reise trotz des hohen Alters des Staatspräsidenten für sein Land von großem Nutzen sein könnte, da es nur noch Stunden seien, bis Deutschland eingreife. Das Deutsche Reich empfinde grundsätzlich keine Feindschaft zu irgendwelchen anderen Nationen. Nationen, die uns nichts zuleide tun, sind uns lieb oder zum mindesten uninteressant. Das deutsche Volk empfinde auch keinen Haß gegen die Tschechoslowakei. Die Tschechoslowakei aber habe uns gegenüber eine ganz andere Einstellung. Der Führer nennt verschiedene Beispiele, bei denen diese Einstellung bei großen politischen Ereignissen in Erscheinung getreten sei, z. B. während der Rheinlandbesetzung. Die Tschechoslowakei habe damals eine Note an Frank-reich gerichtet, in welcher sie mitteilte, daß, wenn dieses Land militärische Schritte gegen Deutschland unternehmen würde, die Tschechoslowakei auch bereit sei, mitzutun. Dieses habe die Tschechoslowakei getan, obwohl es sich um urdeutsches Gebiet gehandelt habe. Dieselbe Gesinnung habe sie noch oft gezeigt, z. B. Italien gegenüber während des Abessinienkonfliktes, usw. 1938 sei die Situation nun unerträglich geworden. Am 28. Mai habe er daher den Entschluß gefaßt, die Konsequenzen zu ziehen. Er stünde keiner Nation mit Feindschaft gegenüber, aber er sei der rücksichtsloseste Verfechter der Rechte des eigenen Volkes, und in diesem Kampfe sei er zu jedem Schritt entschlossen. Er sei hier Frontsoldat, der rücksichtslos und bedenkenlos für seine Überzeugung einsteht und kämpft. Der Restbestand der Tschechoslowakei sei überhaupt nur seiner loyalen Haltung zuzuschreiben. Auf das Risiko hin, sich die Feindschaft des ihm befreundeten Ungarn zuzuziehen, habe er dessen politische Ambitionen abgestoppt und Ungarn gezwungen, so wie Deutschland nur nach ethnographischen Prinzipien das Problem zu lösen, dies, obwohl die verrücktesten Wirtschafts- und Zollsituationen hierdurch entstanden seien. Er habe diese Beschränkungen auf sich genommen, nicht, weil er nicht anders hätte handeln können, sondern weil er der Überzeugung gewesen sei, daß es so recht wäre. Für die anderen Länder sei die Tschechoslowakei nichts anderes gewesen als ein Mittel zum Zweck. London und Paris hätten sich nicht imstande gezeigt, sich für die Tschechoslowakei wirklich einzusetzen.

Die Slowakei sei ihm gänzlich gleichgültig. Hätte sie sich näher an Deutschland (angeschlossen), so wäre dies auch eine Verpflichtung für Deutschland gewesen, und so wäre er froh, daß er diese jetzt nicht hätte. Östlich der Kleinen Karpathen habe er überhaupt keine Interessen. Im Herbst hätte er nicht die letzten Konsequenzen ziehen wollen, weil er geglaubt habe, daß ein Zusammenleben möglich sei, aber damals schon und später auch bei seinen Unterhaltungen mit Chvalkovsky habe er keinen Zweifel gelassen, daß, wenn die Tendenzen Beneschs nicht restlos verschwinden würden, er diesen Staat rücksichtslos zerschlagen würde. Chvalkovsky habe dies damals verstanden und den Führer um Geduld gebeten. Der Führer habe das eingesehen; aber die Monate seien dahingegangen, ohne daß eine Änderung eingetreten sei. Dem neuen Regime sei es nicht gelungen, das alte psychologisch verschwinden zu lassen, das sehe er an der Presse, an der Mundpropaganda, an den Entlassungen der Deutschen und an vielen Handlungen, die für ihn symbolisch für das Gesamtbild seien. Er habe dieses zuerst nicht verstanden, als es ihm aber klar geworden sei, habe er endgültig seine Konsequenzen gezogen, da, wenn die Entwicklung so weitergegangen wäre, in wenigen Jahren das Verhältnis der Tschechoslowakei genau wieder so gewesen wäre, wie es vor sechs Monaten gewesen war. Warum habe die Tschechoslowakei nicht die Armee sofort auf ein vernünftiges Maß reduziert? Eine solche Armee sei eine ungeheure Belastung für einen solchen Staat, denn sie habe nur Sinn, wenn sie den Staat in seiner außenpolitischen Mission unterstütze. Da die Tschechoslowakei aber keine außenpolitische Mission mehr habe, so sei eine solche Armee sinnlos. Er zählt mehrere Beispiele auf, die ihm bewiesen haben, daß der Geist in der Armee sich nicht gewandelt habe. Aus diesem Symptom heraus habe sich bei ihm die Überzeugung gebildet, daß auch die Armee eine Quelle schwerster politischer Belastung für die Zukunft sei. Dazu sei gekommen die zwangsläufige Entwicklung der wirtschaftlichen Notwendigkeiten und weiter die Proteste aus den Volksgruppen, die das Leben so nicht mehr ertragen konnten.

„So sind bei mir am letzten Sonntag die Würfel gefallen. Ich habe mir den ungarischen Gesandten kommen lassen und habe ihm mitgeteilt, daß ich die Hände von diesem Land zurückziehe.“ Wir stünden nun vor dieser Sachlage, und er habe den Befehl gegeben zum Einmarsch der deutschen Truppen und der Eingliederung der Tschechoslowakei ins Deutsche Reich. Er wolle der Tschechoslowakei die vollste Autonomie und ein Eigenleben geben, mehr als sie es jemals in der österreichischen Zeit genossen habe. Das Verhalten Deutschlands gegenüber der Tschechoslowakei wird sich morgen und übermorgen entscheiden und ist abhängig von der Haltung des tschechischen Volkes und des tschechischen Militärs gegenüber den deutschen Truppen. Er habe in die Regierung kein Vertrauen mehr. Wenn er auch an die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit Hachas und Chvalkovskys glaube, so zweifle er an den Möglichkeiten des Sichdurchsetzens der Regierung im ganzen Volk. Die deutsche Armee sei heute schon ausgerückt und bei einer Kaserne, wo Widerstand geleistet wurde, sei dieser rücksichtslos gebrochen worden, eine andere habe sich beim Auffahren der schweren Artillerie ergeben.

Morgen um 6 Uhr rücke von allen Seiten her die deutsche Armee in die Tschechei ein, und die deutsche Luftwaffe werde die Flughäfen besetzen. Es gäbe zwei Möglichkeiten. Die erste sei die, daß sich das Einrücken der deutschen Truppen zu einem Kampf entwickelt. Dann wird dieser Widerstand mit allen Mitteln mit Brachialgewalt gebrochen. Die andere ist die, daß sich der Einmarsch der deutschen Truppen in erträglicher Form abspielt, dann würde es dem Führer leicht, bei der Neugestaltung des tschechischen Lebens der Tschechoslowakei ein großzügiges Eigenleben, eine Autonomie und eine gewisse nationale Freiheit zu geben.

Wir erlebten im Augenblick einen großen geschichtlichen Wendepunkt. Er wolle die Tschechen nicht quälen und nicht entnationalisieren. Er täte dieses alles auch nicht aus Haß, sondern um Deutschland zu schützen. Wenn im Herbst vorigen Jahres die Tschechoslowakei nicht nachgegeben hätte, so wäre das tschechische Volk ausgerottet worden. Keiner hätte ihn dann daran gehindert. Sein Wille sei, daß das tschechische Volk sich national ausleben solle, und er glaube fest, daß eine Form zu finden sei, in der den tschechischen Wünschen weitgehend entgegengekommen werde. Käme es morgen zum Kampf, so würde der Druck Gegendruck erzeugen. Man würde sich gegenseitig aufreiben, und es sei ihm dann nicht mehr möglich, die versprochenen Erleichterungen zu geben. Die tschechische Armee würde in zwei Tagen nicht mehr existieren. Es würden natürlich auch Deutsche fallen, und dieses würde einen Haß erzeugen, der ihn aus Selbsterhaltungstrieb zwingen würde, keine Autonomie mehr zu gewähren. Die Welt würde keine Miene verziehen. Er habe Mitleid mit dem tschechischen Volk, wenn er die ausländische Presse lese. Sie mache auf ihn den Eindruck, wie sich in einem deutschen Sprichwort zusammenfassen ließe, „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehn.“

So lägen die Dinge. In Deutschland gäbe es zwei Richtungen, eine härtere, die keine Konzessionen wolle und in Erinnerung an das Vergangene wünsche, daß die Tschechoslowakei mit Blut niedergerungen würde, und eine andere, deren Haltung seinen eben erwähnten Vorschlägen entspreche.

Dieses sei der Grund, warum er Hacha hierher gebeten habe. Diese Einladung sei der letzte gute Dienst, den er dem tschechischen Volke erweisen könne. Käme es zum Kampfe, so zwinge uns das vergossene Blut auch zum Haß. Aber vielleicht könne auch der Besuch Hachas das Äußerste verhindern. Vielleicht trage er dazu bei, eine Konstruktion zu finden, die für die Tschechoslowakei so weitgehend wäre, wie sie sie im alten Österreich niemals hätte erhoffen können. Sein Ziel sei nur, die nötige Sicherung für das deutsche Volk zu schaffen.

Die Stunden vergingen. Um 6 Uhr würden die Truppen einmarschieren. Er schäme sich beinahe zu sagen, daß auf jedes tschechische Bataillon eine deutsche Division käme. Die militärische Aktion sei eben keine kleine, sondern sie sei in aller Großzügigkeit angesetzt. Er möchte ihm (Hacha) jetzt, raten, sich mit Chvalkovsky zurückzuziehen, um zu besprechen, was zu tun sei.

Hacha sagt, daß für ihn die Situation völlig klar und daß hier jeder Widerstand sinnlos sei. Aber er frage den Führer, wie er es anstellen solle, in vier Stunden das ganze tschechische Volk vom Widerstand zurückzuhalten. Der Führer sagt, er möge sich mit seinen Herren beraten. Die nun rollende Militärmaschine lasse sich nicht aufhalten. Er solle sich an seine Prager Dienststellen wenden. Es sei ein großer Entschluß, aber er sähe die Möglichkeit für eine lange Friedensperiode zwischen den beiden Völkern dämmern. Würde der Entschluß anders sein, so sähe er die Vernichtung der Tschechoslowakei.

Hacha fragt, ob der ganze Zweck des Einmarsches sei, die tschechische Armee zu entwaffnen. Man könne dies ja auch vielleicht auf andere Weise machen.

Der Führer sagt, daß sein Entschluß unwiderruflich sei. Man wisse ja, was ein Entschluß des Führers bedeute. Er sähe keine andere Möglichkeit der Entwaffnung, und fragt die anderen Herren, ob sie seiner Meinung seien, was ihm bestätigt wird. Die einzige Möglichkeit der Entwaffnung der tschechischen Armee sei die durch das deutsche Heer.

Für Hacha sei das heute der schwerste Gang seines Lebens, aber er glaube, daß schon in wenigen Jahren dieser Entschluß als verständlich und in 50 Jahren wahrscheinlich als ein segensreicher angesehen würde.

Hierauf ziehen sich die beiden Tschechen zurück.

Nach der Besprechung zwischen Hacha und Chvalkovsky mit unseren Herren, bei deren Entschluß man sich über die Abfassung der Abmachung klar geworden war, treten die zu Beginn der Aufzeichnung genannten Herren noch einmal zu einer abschließenden Rücksprache im Arbeitszimmer des Führers zusammen. Noch einmal wird ausführlich über die militärische Lage gesprochen, und der Generalfeldmarschall schildert im einzelnen die Situation. Der Führer meint, daß vielleicht an dem einen oder andern Platze die Botschaft Hachas nicht durchgedrungen sei und es dann zu Zusammenstößen führen könnte, daß man aber im großen und ganzen mit einem reibungslosen Einmarsch rechnen dürfe.

Der Führer fährt fort, er glaube, daß trotz aller Bitternis, die durch den Einmarsch und die Besetzung durch das Deutsche Reich hervorgerufen würde, doch langsam die Erkenntnis dämmern werde, daß ein jahrhundertlanges Zusammenleben der beiden Nationen nützlich sei. Die Vorstellung, daß die beiden Völker gegeneinander kämpfen müßten, würde verschwinden. Die Tschechoslowakei sei eingebettet in das Deutsche Reich, und die Vernunft müßte jedem sagen, daß nur ein engstes Zusammenleben die Parole sein müsse. Zudem spiele das Problem der Entnationalisierung keine Rolle, da solche den Deutschen an sich und auch der nationalsozialistischen Ideologie völlig fernliege. Wir wünschen und wollen keine Entnationalisierung. Die einen sollen als Tschechen und wir wollen als Deutsche glücklich leben. Das Deutsche Reich könne auf diesem Gebiet ungeheuer großzügig sein.

Hacha wirft ein, daß diese Äußerung des Führers für ihn von überragender Wichtigkeit sei.

Der Führer fährt fort, daß wir nur wirtschaftlich, militärisch und politisch keinen Gegensatz dulden könnten. Die Tschechei solle ihr eigenes Staatsoberhaupt behalten, und seine Prinzipien, welche er durchsetzen würde, bildeten die Grundlage für eine Befriedung dieses Gebietes auf Jahrhunderte hinaus.

Hacha wirft ein, daß also kein Seelenkauf wie zur österreichischen Zeit auf dem Programm stehe, und fragt, ob wirtschaftlich eine Zollunion geplant sei.

Das erste lehnt der Führer lächelnd ab, das zweite beantwortet der Generalfeldmarschall, indem er die Frage bejaht, denn Deutschland und die Tschechoslowakei seien ein Wirtschaftsraum. Zudem bekäme die Tschechei Aufträge, die ihre Arbeitsleistung sicher verdoppeln würden. Der Führer sagt, daß das tschechoslowakische Volk wirtschaftlich durch den Anschluß an Deutschland gewinnen würde, indem es an dem großen deutschen Wirtschaftsraum teilhaben würde. Er wolle die tschechische Wirtschaft nicht vernichten, sondern ungeheuer beleben. Hacha fragt, ob hierfür genaue Richtlinien bereits festlägen.

Der Führer antwortet, daß diese Angelegenheit einer Wirtschaftskommission sei, denn auch für ihn sei die ganze Sache überraschend gekommen. Vor ein paar Wochen hätte er von der ganzen Angelegenheit noch nichts gewußt. Er erzählte noch einmal von der damaligen Zeit und der Taktik Beneschs und schließlich vom 28. Mai, an dem er seinen Entschluß, zu handeln, einem engen Kreise bekanntgegeben habe. Der Führer schließt ab mit dem Bemerken, daß die Regelung, die nun getroffen würde, endgültig, tragbar und eindeutig sein müßte. Auf jeden Fall bekämen die Tschechen mehr Rechte, als sie jemals den Deutschen auf ihrem Gebiet gegeben hätten.

Hierauf wird das Abkommen von dem Führer, dem Reichsaußenminister, Hacha und Chvalkovsky unterzeichnet.

gez. Hewel

QUELLE: Danke an NS Archiv  zitiert aus Freund, Dokumente, Band 1, S. 446ff

ns –  archiv  de

Das deutsch-tschechische Abkommen hat folgenden Wortlaut:

Der Führer hat heute in Gegenwart des Reichsministers des Auswärtigen von Ribbentrop den Tschecho-Slowakischen Staatspräsidenten Dr. Hacha und den Tschecho-Slowakischen Außenminister Dr. Chvalkovský auf deren Wunsch in Berlin empfangen. Bei der Zusammenkunft ist die durch die Vorgänge der letzten Wochen auf dem bisherigen tschecho- slowakischen Staatsgebiet entstandene ernste Lage in voller Offenheit einer Prüfung unterzogen worden. Auf beiden Seiten ist übereinstimmend die Überzeugung zum Ausdruck gebracht worden, daß das Ziel aller Bemühungen die Sicherung von Ruhe, Ordnung und Frieden in diesem Teile Mitteleuropas sein müsse. Der Tschecho-Slowakische Staatspräsident hat erklärt, daß er, um diesem Ziele zu dienen und um eine endgültige Befriedung zu erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hände des Führers des Deutschen Reiches legt. Der Führer hat diese Erklärung angenommen und seinem Entschluß Ausdruck gegeben, daß er das tschechische Volk unter den Schutz des Deutschen Reiches nehmen und ihm eine seiner Eigenart gemäße autonome Entwicklung seines völkischen Lebens gewährleisten wird.       Berlin, den 15. März 1939

Adolf Hitler             Dr. Hacha     von Ribbentrop       Dr. Chvalkovský

Quelle: Weißbuch des Auswärtigen Amtes Band 2 S175 PDF Originalscan  / Anmerkung zu dem Dokument 265 Der deutsche Botschafter in London an das Auswärtige Amt

Rede des Britischen Premierministers Chamberlain in Birmingham, 17. März 1939 Auszug (Übersetzung)

#…. Am vergangenen Mittwoch fand eine Debatte im Unterhause statt. Es war derselbe Tag, an dem die deutschen Truppen in der Tschechoslowakei einmarschierten, und wir alle, ganz besonders aber die Regierung, waren im Nachteil, weil die uns zur Verfügung stehenden Nachrichten nur teilweiser, zum erheblichen Teile nichtamtlicher Art waren. Wir hatten keine Zeit, diese Nachrichten zu prüfen, noch viel weniger aber, uns darüber eine wohlerwogene Meinung zu bilden. Daraus ergab sich zwangsläufig, daß ich, im Namen der Regierung sprechend, angesichts der Verantwortung, die mit dieser Stellung verbunden ist, mich gezwungen sah, mich auf eine stark zurückhaltende und vorsichtige Darlegung dessen zu beschränken, über das ich seinerzeit, wie ich glaubte, nur geringe Erläuterungen geben konnte. 161 Und vielleicht war es auch ganz natürlich, daß diese etwas kühle und sachliche Erklärung Grund zu einem Mißverständnis gab und daß einige Leute glaubten, daß meine Kollegen und ich, weil ich ruhig sprach und meinen Gefühlen nur beschränkten Ausdruck gab, uns von der Angelegenheit nicht stark beeindruckt fühlten. Ich hoffe, diesen Irrtum heute abend berichtigen zu können. …. Ich habe in Wirklichkeit keinen Grund, für meine im letzten Herbst stattgefundenen Besuche in Deutschland Entschuldigungen vorzubringen; denn welche Wahl hatten wir? Nichts von dem, was wir hätten unternehmen können, nichts von dem, was Frankreich oder Rußland hätten unternehmen können, wäre dazu angetan gewesen, die Tschecho-Slowakei vor einem Einmarsch und der Vernichtung zu bewahren. Selbst wenn wir später zum Kriege geschritten wären, um Deutschland für sein Vorgehen zu strafen, und wenn wir nach den furchtbaren Verlusten, die allen Teilnehmern an einem Kriege zugefügt worden wären, schließlich siegreich gewesen wären, würde es uns niemals möglich gewesen sein, die Tschecho-Slowakei in derselben Form wieder aufzurichten, die sie durch den Frieden von Versailles gefunden hatte. Deutschland hat unter seinem gegenwärtigen Regime der Welt eine Reihe unangenehmer Überraschungen bereitet. Das Rheinland, der österreichische Anschluß, die Abtrennung des Sudetenlandes, alle diese Vorkommnisse haben die öffentliche Meinung der ganzen Welt vor den Kopf gestoßen und beleidigt. Welche und wieviel Anstände wir aber auch an den in jedem dieser Fälle angewendeten Methoden hätten nehmen können, jedenfalls ließ sich auf Grund der Rassenzugehörigkeit oder gerechter Ansprüche, denen zu lange Widerstand geleistet worden war, etwas zugunsten der Notwendigkeit einer Änderung in der bestehenden Lage sagen.

Die Ereignisse aber, die im Laufe dieser Woche…… Platz gegriffen haben, scheinen mir in eine andere Klasse zu fallen und müssen uns alle veranlassen, an uns selbst die Frage zu richten: „Ist das das Ende eines alten Abenteuers oder ist es der Anfang eines neuen?“

„Ist es der letzte Angriff gegen einen kleinen Staat oder werden ihm weitere folgen? Ist dies in Wirklichkeit ein Schritt in der Richtung eines Versuchs zur Weltherrschaft durch Gewalt? “

[263] Das sind schwerwiegende und ernste Fragen. Ich werde diese Fragen heute abend nicht beantworten. Ich bin aber überzeugt, daß sie die tiefernste und gewissenhafte Erwägung nicht

nur durch Deutschlands Nachbarn, sondern auch durch andere Mächte, vielleicht sogar solche jenseits der Grenzen Europas, notwendig machen würden. Schon jetzt liegen Anzeichen dafür vor, daß dieser Prozeß eingesetzt hat, und es ist augenscheinlich, daß er nunmehr voraussichtlich einen schnelleren Verlauf nehmen wird.

Wir selbst werden uns selbstverständlich zunächst unsern Partnern in der britischen Gemeinschaft der Nationen und Frankreich zuwenden, mit denen wir so eng verbunden sind; ich bezweifle aber nicht, daß auch andere, die wissen, daß wir nicht uninteressiert an dem sind, was in Südosteuropa vor sich geht, den Wunsch haben werden, mit uns zu konsultieren und unseren Rat einzuholen.

Wir alle in unserem eigenen Lande müssen die Lage mit dem Sinn für Verantwortlichkeit überprüfen, den ihr Ernst erfordert. Von dieser Überprüfung darf nichts ausgeschlossen bleiben, was auf die nationale Sicherheit Bezug hat. Jede Phase unseres nationalen Lebens muß wieder einmal von diesem Standpunkt aus einer Prüfung unterzogen werden. ……

Quelle: Weißbuch des Auswärtigen Amtes Band 2 S182/183  PDF Originalscan  / Dokument 269 Rede des Britischen Premierministers Chamberlain in Birmingham, 17. März 1939 Auszug (Übersetzung)